Die FDP versucht’s mit »Wetten, dass…«
Vor der Niedersachsen-Wahl am 20. Januar zittert vor allem Parteichef Rösler
Da hat Döring gut lachen. Anders als FDP-Chef Philipp Rösler. Scheitert seine Partei in Niedersachsen an der 5-Prozent-Hürde, muss er wohl beim Bundesparteitag Anfang Mai Fraktionschef Rainer Brüderle, Entwicklungshilfe-Minister Dirk Niebel oder einem anderen, jüngeren Rivalen Platz an der Parteispitze machen. Und seine Ämter als Wirtschaftsminister und Vizekanzler wird Rösler vermutlich so oder so spätestens im Herbst los. Denn Kanzlerin Merkel will ja weiterregieren – wenn mit der FDP nicht, dann eben mit SPD oder Grünen. Kommt die FDP nicht in den Bundestag, bliebe Rösler weiter ohne Parlamentsmandat. Zwar muss er nicht gleich nach einem Job als Assistenzarzt suchen (seine Facharztausbildung hatte er der Politkarriere zuliebe aufgegeben), doch das Überhangsgeld als Minister endet nach drei Jahren. Und Rösler ist erst 39 …
In Niedersachsen war FDP-Landeschef und Spitzenkandidat Stefan Birkner nach der am Nikolaustag veröffentlichten Umfrage eine ganze Woche lang sprachlos. Nun forderte er nach dem Scheitern letzter schwarz-gelber Steuersenkungspläne im Bundesrat Schwarz-Gelb in Berlin auf, noch schnell den »Solidaritätszuschlag« zur Einkommensteuer abzuschaffen. Dazu brauche man die Länder ja nicht … Panik pur.
Beim Blick auf die bescheidene Liste der im Internet publizierten FDP-Wahlkampftermine kann man andererseits auf den Gedanken kommen, Röslers Erben hätten sich schon mit ihrem Scheitern abgefunden. Bis Jahresende hat nur der Stadtteilverband Hannover-Südost Wahlkampfstände angekündigt. Und für den »heißen Wahlkampf«, der erst nach dem alljährlich als Autosuggestions-Hochamt zelebrierten »Dreikönigstreffen« der FDP in Stuttgart beginnen soll, ist nicht mal ein Dutzend größere Veranstaltungen – natürlich alle in warmen Sälen – angekündigt. Sechs Mal ist neben Spitzenkandidat Birkner auch Rösler als Redner vorgesehen. Aber fünf Mal wird er von in der FDP-Klientel populären Promis flankiert: Rainer Brüderle und Patrick Döring, aber auch Schleswig-Holsteins Fraktionschef und Lästermaul Wolfgang Kubicki aus Kiel und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Für jeden Vielleicht-FDP-Wähler etwas …
Daneben hofft die Spitze der Niedersachsen-FDP dem Vernehmen nach sowohl auf Wahlkampfhilfe der Unternehmerschaft – man erinnert sich unwillkürlich an eine Anzeigenkampagne für SPD-Mann Gerhard Schröder Ende der 90er Jahre – als auch auf Schützenhilfe durch die CDU. Denn fliegt die FDP aus dem Landtag, fehlt Ministerpräsident David McAllister ein Koalitionspartner. Zwar bliebe die CDU laut Umfragen mit Abstand stärkste Partei, doch SPD und Grüne könnten mit einer Mehrheit der Stimmen wie der Landtagssitze rechnen, wenn außer der FDP auch LINKE und Piraten an der 5-Prozent-Hürde scheitern, wie die Demoskopen voraussagen.
»Zweitstimme FDP!« flehen die Liberalen im Internet wie auf Wahlplakaten mit lila Aufklebern CDU-Wähler an. Und hoffen sicherlich, dass dies auch von den Unions-Wahlkämpfern toleriert, wenn nicht gar selbst propagiert wird. Zwar sind derartige »Almosen« in einer Umfrage von »führenden FDP-Politikern« strikt abgelehnt worden, wie »Spiegel online« berichtete. »Die FDP ist stark genug, um aus eigener Kraft und mit einer überzeugenden Regierungsbilanz bei den Bürgern in Niedersachsen zu punkten«, wurde Brüderle zitiert. Aber tatsächlich steht eine Menge auch für die CDU auf dem Spiel, und Brüderle bringt es auf den Punkt: Gebe es keine Mehrheit für Schwarz-Gelb, werde Niedersachsen bald von Rot-Grün regiert. Mit Konsequenzen auch im Bundesrat. Brüderles Interpretation: Dann gäbe es dort einen »Betonblock der Vereinigten Linken aus SPD, Grünen und Linkspartei«. Was bleibt da dem besserverdienenden, steuersparsamen Bürger übrig, als seine Zweitstimme doch der FDP zu geben? Zumal laut Spiegel-Online die Union diesbezüglich Optimismus verbreitet: »Motto: Wo drei bis vier Prozent für die FDP sind, sind im Januar auch fünf.«
Und wenn's am 20. Januar schief geht? Dann muss Brüderle als Parteichef ran. Als Kopilot einer »Doppelspitze« für den Bundestagswahlkampf hat Niebel bereits Ansprüche angemeldet. Ein letztes Angebot. Wer da zugreift, ist selbst schuld. Aber vielleicht verbünden sich ja noch die jüngsten »Wahlsieger« Wolfgang Kubicki und Christian Lindner. Mit Schützenhilfe von Döring, der speziell die Hunde- und Katzenbesitzer umwirbt. Stimmung machen können alle drei. Auch ohne Programm.
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