45 598 legale Mordwaffen

Nach Amoklauf in den USA stehen auch in Berlin Sportschützen und Jäger in der Kritik

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

In der US-Botschaft am Brandenburger Tor liegt seit gestern ein Kondolenzbuch aus. Darin können Berliner noch bis Freitag im Gedenken an die getöteten Schüler und Lehrerinnen der Sandy Hook Grundschule ihr Mitgefühl ausdrücken. Als Erster trug sich gestern der Botschafter der Vereinigten Staaten in Deutschland, Philip Murphy, ein. »Amerikaner und Deutsche sollen so die Möglichkeit haben, ihre Betroffenheit auszudrücken«, sagte Botschaftssprecher Peter Claussen. Die Mitarbeiter der diplomatischen Vertretung hielten überdies am Montag eine Schweigeminute ab, auch heute wird die Stars-and-Stripes-Flagge vor dem Gebäude noch auf Halbmast hängen.

Das Blutbad mit 26 Toten an einer Grundschule im US-Bundesstaat Connecticut hat auch hierzulande eine Debatte entfacht, ob die Waffengesetze ausreichend sind. Der Amoklauf in den USA zeige, »dass das Risiko legaler Waffen nicht beherrschbar ist«, erklärte etwa die Initiative »Keine Mordwaffen als Sportwaffen!«. Deren Sprecher Roman Grafe forderte eine unverzügliche Verschärfung des Waffenrechts. Die Gruppe will ein Verbot tödlicher Waffen für den Schießsport erreichen.

Doch wie sehr sind in Berlin Schusswaffen verbreitet? Auf eine Kleine Anfrage des Piraten-Abgeordneten Christopher Lauer beantwortete Innensenator Frank Henkel (CDU) vor kurzem eine ganze Reihe von Fragen dazu. Demnach beträgt der Gesamtbestand der registrierten Waffen in Berlin derzeit 45 598. Das sind rund 10 000 Pistolen und Gewehre weniger als noch für 2011 angegeben wurden. Der Unterschied zu früheren Statistiken beruhte allerdings auf einer fehlerhaften Zählweise des eingesetzten Software-Systems zur Erfassung von Waffen.

Ab Januar 2013 gilt auch in Berlin wie in ganz Deutschland das neue Nationale Waffenregister, wofür die Datenlage zu Berlin im Mai 2012 korrigiert wurde. Rund die Hälfte der Berliner Waffen, nämlich 20 981, sind im Besitz von 5334 Sportschützen, die dafür eine waffenrechtliche Erlaubnis besitzen. Die zweite große Gruppe Waffenträger sind 3397 Jäger. Ihnen werden 12 625 Schusswaffen zugerechnet. Sowohl Sportschützen als auch Jäger lagern ihre Waffen privat. Zu Waffenschränken und zur Aufbewahrung gelten rigide Vorschriften, deren Einhaltungen in Berlin auch regelmäßig durch Polizisten des Landeskriminalamts überprüft werden sollen.

Eine Zentralisierung der Waffen, wie sie etwa Waffengegner fordern, kommt für den Senat indes nicht infrage. Denn eine zentrale Lagerung zum Beispiel in speziellen Waffenbunkern oder Schützenhäusern würde nach Auffassung von Innensenator Henkel »keinen Sicherheitsgewinn bringen«. Zumal Schusswaffen auch bei einer solchen Lagerung von den Besitzern »an andere Orte verbracht« oder wie bei den Jägern außerhalb des Waffendepots genutzt werden könnten. »Im Übrigen«, so der Innensenator, »wäre eine solche zentrale Lagerung nicht nur nicht praktikabel und würde für Kriminelle einen Anreiz für Einbrüche und Diebstähle schaffen.«

Wie viele Schusswaffen in Berlin nicht registriert im Umlauf sind, kann niemand wirklich sagen. Laut Senat liegen hierzu »keine seriösen Schätzungen« vor. Auch eine nd-Anfrage bei der Polizei konnte diesen Komplex nicht wirklich erhellen. Zwar gab es auch in Berlin, wie beispielsweise am 19. Oktober 2010 in Kreuzberg, immer wieder spektakuläre Waffenfunde. Allein damals beschlagnahmten die Beamten in einer Wohnung 77 Schusswaffen und etwa 15 000 Schuss Munition. »Belastbare Aussagen zum ›Dunkelfeld‹, das heißt zur Zahl der Waffen, die möglicherweise im Umlauf sind, können von hier aus nicht getroffen werden«, sagt Polizeisprecher Volker-Alexander Tönnies. Trotz der spektakulären Funde und Fälle entspreche der Eindruck von immer mehr im Umlauf befindlichen Schusswaffen nicht den Feststellungen des Landeskriminalamts Berlin.

In der Polizeilichen Kriminalstatistik bildet sich der Rückgang von Fällen mit Schusswaffen ebenfalls ab. Für das Jahr 2012 gibt es zwar noch keine Zahlen, doch der Trend der vergangenen zehn Jahre scheint sich laut Polizei offenbar auch in diesem Jahr fortzusetzen. Für Waffengegner ist ein solcher Rückgang in den Statistiken natürlich nicht genug. Sie wollen beispielsweise für den Schießsport noch in diesem Jahr vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbot tödlicher Schusswaffen erreichen. Das würde dann auch für Berlin gelten.

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