- Brandenburg
- Brandenburg
Nervosität bei LINKEN normal
SPD-Ministerpräsident Platzeck macht dem Koalitionspartner keine Vorwürfe
Die LINKE holt zu wenig raus in der rot-roten Koalition. Sie verhält sich viel zu brav, anstatt mal auf den Tisch zu hauen. Bei Verhandlungen mit der SPD kippt die LINKE regelmäßig um. Derartige Einschätzungen sind weit verbreitet.
Bei den Fraktionssitzungen im Landtag zeigt sich jedoch durchaus auch mal ein anderes Bild. Da fallen Sätze wie: »Ich sage es Euch ganz ehrlich Genossen, der SPD gefällt das nicht. Aber wir sollten es trotzdem machen.« Oder: »Darüber besteht zwar keine Einigkeit mit der SPD, aber wenn wir es jetzt beschließen, bauen wir politischen Druck auf.« Hierbei handelt es sich keineswegs um Einzelfälle. Es wäre für die Abgeordneten vielleicht hilfreich, wenn das allgemein bekannt wäre. Doch es sprach sich bisher nicht herum, obwohl die Fraktionssitzungen meistens öffentlich sind, denn Besucher kommen selten. Mittlerweile wurde die LINKE aber ein bisschen mutiger. Sie trägt Positionen, die von denen der SPD abweichen, deutlicher nach außen.
Für den Ministerpräsidenten und SPD-Landeschef Matthias Platzeck ist dieses veränderte Auftreten überhaupt kein Problem. »Ach, das muss man gelassen sehen«, meinte er gestern ganz entspannt. Er zog im Potsdamer Restaurant am Pfingstberg vor Journalisten der Landespressekonferenz eine kurze Jahresbilanz. Das sei überhaupt nicht ungewöhnlich, wenn die LINKE darstellen möchte, wie sie die SPD zu bestimmten Entscheidungen getrieben habe. »Natürlich versucht man, in einer Koalition gut wegzukommen - wir auch!« Solche Prozesse spielen sich in allen möglichen Koalitionen nun einmal ab, sagte der Ministerpräsident. Das sei nichts »Außergewöhnliches«. Der »Reflex«, dass einer der Partnern denke, er komme in einem Regierungsbündnis schlechter weg als der andere, das sei »nicht untypisch«.
Und tatsächlich seien ja die Umfragewerte der Sozialisten dieses Jahr niedriger gewesen als bei der Landtagswahl 2009, während sich die SPD über ihre Werte nicht beklagen könne. Wenn es ein Jahr vor der Bundestagswahl bei der Linkspartei Nervosität gebe, so sei dies völlig normal. Schließlich gehe es für die LINKE dabei um viel.
Entschuldigend bemerkte der Regierungschef, dass seine SPD seit 1990 ununterbrochen regiere, während die LINKE bis 2009 immer in der Opposition gewesen sei. Es sei doch ein Unterschied, ob man sich die die Spitze von Bürgerprotesten stellen und alles fordern konnte oder jetzt auch einmal »Nein« sagen müsse. Das möchte Platzeck den Sozialisten gern nachsehen, wenn sie sich daran auch nach drei Jahren noch nicht so richtig gewöhnt haben.
»Easy waren die letzten drei Jahre alle nicht«, resümierte Platzeck. Und von 2012 könne man sich nun wirklich nicht wünschen, dass es sich wiederholt, spielte er auf die Scherereien mit dem Großflughafen Schönefeld an. Aber die Koalition habe diesen »Härtetest« stabil überstanden. »Wir haben gut zusammen gearbeitet.« Die Stimmung sei »ordentlich«. Zwar seien die Wahlversprechen, soweit sie in den Koalitionsvertrag Eingang fanden, bereits alle erfüllt. Doch für Gemeinsinn und Gerechtigkeit gebe es noch einiges zu tun.
Eine weitere Legislaturperiode Rot-Rot wäre demnach denkbar, zumal sich der Ministerpräsident noch nicht so weit vorwagt, die CDU nach der Ablösung der Landes- und Fraktionsvorsitzenden Saskia Ludwig als wieder koalitionsfähig zu bezeichnen. Prinzipiell lässt sich die SPD aber nicht darauf ein, mit einer Koalitionsaussage in einen Wahlkampf zu gehen. Das will sie auch vor der Landtagswahl 2014 nicht machen.
Generell sieht der SPD-Landeschef drei notwendige Voraussetzungen für Koalitionen: Inhaltliche Überschneidungen, die es in irgendeiner Form fast immer gebe, weswegen das zusammen passende Personal eigentlich wichtiger sei, und außerdem Wahlergebnisse, die ein Bündnis ermöglichen. »Wir haben eine schwierige Phase miteinander durch«, urteilte Platzeck über Rot-Rot. »Aber es gab weniger öffentliche Diskussionen als mit der CDU.« Der Ministerpräsident erinnerte an die Zeit, da sein CDU-Stellvertreter Jörg Schönbohm den grausigen Fund getöteter Kinder in Brieskow-Finkenheerd mit einer angeblichen erzwungenen Proletarisierung Ostdeutscher zu DDR-Zeiten erklären wollte. Da sei die Koalition fast geplatzt.
Am Streit um Nachtflüge in Schönefeld - die LINKE möchte sie von 22 bis 5 Uhr verbieten statt nur von 0 bis 5 Uhr - muss die rot-rote Koalition nach Platzecks Ansicht nicht zerbrechen. Freilich wäre es einfacher, auf alle Forderungen der Anwohner einzugehen, gab er zu. Doch es gehe um einen konkurrenzfähigen Standort. Gleichwohl wolle auch die SPD auf die Volksinitiative für ein striktes Nachtflugverbot zugehen, sie zu Gesprächen einladen.
Dem Austritt des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Nešković aus der Linksfraktion misst Platzeck keine Bedeutung zu. »Wer ist Nešković?«, fragte er ironisch. »Wenn ich ein LINKER wäre, würde ich Herrn Nešković eine gute Reise sonst wohin wünschen.« Denn wem nehme der Abgeordnete Stimmen weg, wenn er 2013 als unabhängiger Kandidat antritt? Doch wohl der LINKEN.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.