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Debatte um Namensnennung im Netz
Thilo Weichert fordert die Aufhebung des Klarnamenszwangs bei Facebook
nd: Sie fordern die Aufhebung des Klarnamenszwangs bei Facebook. Wieso ist es wichtig, im Netz anonym bleiben zu können?
Weichert: Das ist von gewaltiger Bedeutung, weil die Verwirklichung von Grundrechten wie der Meinungsfreiheit eben nicht immer mit Klarnamen erfolgen muss und sollte. Ansonsten könnte eine 100-prozentige Zuordnung vorgenommen werden. Gewaltige Profilbildungen würden möglich. Auch der Bundesgerichtshof hat das immer wieder bestätigt.
Facebook pocht dagegen auf sein Recht, als Dienstleister seine Bedingungen selbst festlegen zu können. Wie bewerten Sie das Argument?
Es ist richtig, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen erst einmal vom Dienstleister vorgegeben werden können. Aber natürlich müssen sich diese AGB im Rahmen der Gesetze bewegen, und das tut Facebook nicht. Es kann nicht sein, dass innerhalb des »Hausrechtes« von Facebook keine Grundrechte mehr gelten. Das hat auch eine hohe gesellschaftliche Relevanz. Mittlerweile nutzen 20 Millionen Deutsche Facebook und wickeln darüber ihre Kommunikationen ab, realisieren damit zum Beispiel das Grundrecht auf Telekommunikationsfreiheit. Dann kann dabei nicht einfach nach AGB, die von einem US-Unternehmen einseitig festgelegt worden sind, vorgegangen werden.
Welches Interesse hat Facebook daran, dass Nutzer ihren echten Namen verwenden?
Klarnamen sind wahnsinnig viel Geld wert, weil sie die Ausbeutungsmöglichkeiten finanziell massiv erhöhen. Die Namen sind unter Umständen auch im analogen Bereich verwendbar und umgekehrt können analoge Daten mit digitalen Informationen gekoppelt werden. Profile können so noch viel präziser erstellt und besser vermarktet werden.
Sie fordern 20 000 Euro Zwangsgeld von Facebook, sollte das Unternehmen nicht innerhalb von zwei Wochen seine AGB ändern.
Gestern ist ein Widerspruch von Facebook gekommen und gleichzeitig auch die Mitteilung, dass beim Verwaltungsgericht Schleswig der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt wurde. Als nächstes werden wir den Widerspruch bearbeiten und darauf nochmal rechtlich reagieren. Dann wird das Gericht eine Entscheidung treffen.
Der Facebook-Ableger Instagram hat ebenfalls für Aufsehen gesorgt, weil er die Fotos seiner Nutzer für Werbezwecke verwenden wollte - oder das zumindest in seinen neuen AGB so erlaubte. Sehen Sie auch dort eine Gefahr für den Datenschutz?
Facebook und Instagram dürfen hochgeladene Fotos nicht einfach für kommerzielle Zwecke verwenden. Es ist also richtig, dass hier ganz offensichtlich gegen deutsches und europäisches Recht verstoßen wurde. Dass Instagram jetzt zurückgerudert ist, ist ein Erfolg für die Netzgemeinde. Im Prinzip ist das aber nur ein Viertelgewinn, denn eigentlich ist das ganze Geschäftsmodell unzulässig. Das Problem ist, dass generell Nutzungsdaten im großen Umfang zum Beispiel für Werbezwecke verwendet werden. Auch urheberrechtlich hat sich Instagram schon einiges an Befugnissen zugestehen lassen. Mit der Rücknahme dieses Falls ist jetzt also nicht alles gut, es ist nur nicht schlechter geworden.
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