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Was Sie über die Liebe und ihre Spielarten wissen sollten

  • Lesedauer: 6 Min.
Lieben Sie es klassisch oder innovativ? Ist in Ihrem Herz Platz für viele oder bloß für eine/n, möchten Sie am liebsten alles gleichzeitig oder bevorzugen Sie die geordnete Reihenfolge? Oder halten Sie etwa jegliches amouröse Geflecht, in das eine fremde Person verwickelt ist, für eine gänzlich überflüssige Verkomplizierung Ihres Lebens? In dem kleinen kompakten Ratgeber ist für jeden ein Beziehungsmodell dabei. Markus Drescher, Sarah Liebigt und Regina Stötzel haben ihn für Sie zusammengestellt.

Das Modell Altmaier

»Och der Arme« haben mit Sicherheit all die Existenzen gedacht, die mit ihrem verpartnerten Schatzi, Pupsi, Bärchen, Mausi auf der Couch die unerhörte Meldungen über Bundesumweltminister Peter Altmaier im Fernsehen sahen: Der Mann lebt allein und hatte noch nie eine feste Beziehung. Arm? Am Ende völlig einsam? Nein, der Mann ist sorgenfrei und erweist seinen Mitmenschen einen besonderen Dienst! Er muss sich kein Genörgel anhören, kann tun und lassen was er will, verschont die Umwelt mit grenzdebilem Gesäusel, Partnerlook, lautstarken Beziehungsgesprächen übers Handy und öffentlichem Rumgeknutsche (haben die kein Zuhause oder was?). Allein und Spaß dabei ist das Motto des Modells Altmaier. Lieben Sie sich, das Schöne, die uneingeschränkte Liebe - ohne all die lästigen Kosequenzen und den Ballast des Zwischenmenschlichen.


Das Traditionelle

Sie leuchtet bunter als das Riesenrad auf dem Weihnachtsmarkt und duftet besser als gebrannte Mandeln, frisch gemahlener Kaffee und Meeresluft zusammen. Meinen Sie etwa, die traditionelle Zweierbeziehung sei so unrealistisch, dass sie ausschließlich in US-amerikanischen Musikfilmen (Grease, High School Musical 1 bis 15) überlebt? Sich jung verlieben passiert ja durchaus vielen Menschen. Aus der ersten Liebe lebenslänglich machen? Weht Ihnen da statt frischer Seebrise Mottenkugelgeruch um die Nase? Seien Sie versichert, der Weg dahin ist so holprig wie frisch gebohnertes Fischgrätenparkett und genauso edel. Die Wagemutigen, ach was sag ich, die Hartgesottenen, die ihn betreten, sind nicht etwa Dickschädel oder abseits anderer Möglichkeiten von grauhaarigen Mottenkugelspendern erzogen worden, nein! Sie fahren in einem von acht weißen Einhörnern gezogenen Wagen gen Glückseligkeit, an Bord kein Bolzenschneider zum zerschneiden der Goldfesseln, sondern ein Werkzeug- und Erstehilfekasten für kommende Reparaturarbeiten an der Beziehungshygiene, während rosa Wattebäusche singen: You're the one I wa-hant. Oh-oh-oh.


Das mit den vielen Betten

Die Erkundung des Unentdeckten und die Frage »was gibt's sonst so?« gehören zu den Urtrieben des Menschen. Forscher treiben sie seit jeher in die weite Welt hinaus, Forsche in viele Betten hinein. Ganz ohne schlechtes Gewissen können Sie sich auf sexuelle Entdeckungsreisen begeben, wenn Sie sich für eine offene Beziehung entscheiden - ohne dabei auf einen sicheren Liebeshafen verzichten zu müssen. Denn beim einvernehmlichen Suchen und Finden erotischer Genüsse gilt nicht der bigotte Grundsatz, dass man sich den Appetit woanders holen kann, jedoch zu Hause gegessen wird. Wenn einen der Hunger packt, kommt auf den Tisch, worauf man Lust hat - gerne auch außer Haus oder zum Mitnehmen. Ob's dann tatsächlich schmeckt und bekömmlich ist, ist eine andere Frage und das Risiko eines/r Forschungsreisenden. Auch der seekranke Charles Darwin musste auf seinen Reisen reihern.


Das geordnete Nacheinander

»Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben«, sagte ein großer Philosoph. Wer die Sehnsucht nach dem Neuen, dem absoluten Prickeln nicht kennt, ist schon tot. Die serielle Monogamie ist das perfekte Beziehungsmodell für die moderne Zeit. Zwar ist manche Beziehung von kurzer Dauer, doch dieses Modell hält ewig. Jede Liebe gibt die Sicherheit der Perfektion (»Wir sind uns ein und alles, für immer«), jedes Ende ist ein neuer Anfang und bietet Dramatik für Monate oder Jahre. Gehen Sie auf's Ganze, wenn Ihnen jemand gefällt! Degradieren Sie eine neue Liebe nicht zur »Affäre«, die wie der innere Schweinehund bekämpft oder Nebensache bleiben muss, sondern geben Sie Ihr die gerechte Chance! Und vergessen Sie den Quatsch mit Polydingsbums, das geht schief in zehn von zehn Fällen. Niemand kann gleichzeitig auf dem Mond und auf der Erde sein. Genießen Sie statt dessen einen wunderbaren Reigen der Liebe.


Das mit den Geheimnissen

Teilen Sie süße Geheimnisse mit der Kollegin, dem »guten Freund«, der Genossin oder dem Bekannten aus dem Fitnessstudio! Das Leben ist kein Monoplattenspieler und zu kurz für eine endlose Paartherapie. »Betrügen« war gestern. Das zeitgemäße Paar schließt einen mündlichen oder schriftlichen Vertrag ab, der nicht gelegentliche Affären verbietet, sondern die endlosen Diskussionen darüber. Holen Sie sich, was Ihnen in Ihrer Beziehung fehlt, aber behalten Sie es für sich! So werden Kränkungen und Eifersucht vermieden, und größte Lebensqualität ist garantiert. Gelegentliche Geschäftsreisen, ein sporadischer Zweitwohnsitz und exotische Hobbys (Sterne beobachten, Angeln) eröffnen Welten des Vergnügens. Kehren Sie mit leuchtenden Augen zu Ihrer/m Liebsten zurück und erzählen Sie von dem Fisch, den Sie an der Angel hatten. Hören Sie sich dessen/deren begeisterte Schilderung von Explosionen im Weltall an, und erfreuen Sie sich gemeinsam der individuell erlernten neuen Spielarten der Liebe.


Das Herz für viele

Die Polyamory ist der Georg Schramm zwischen lauter Mario Barths. Der »Meister und Margarita«-Band in dunkelblauem Leinen mit Goldprägung zwischen Vampirtrash-Paperbacks. Der Polyamoröse lässt nicht viele in sein Bett, sondern viele in sein Herz. Letzteres verschenkt er dabei nicht leichtherzig, und nicht mit jedem, dem er sein Herz schenkt, teilt er das Bett. Unwissende verspotten die Polyamory gern als Pseudoveredelung einer offenen Beziehung. Banausen! Polyamory hat mit derlei profanem Bettgehopse nichts zu tun. Polyamory ist Avantgarde! Polygamie ist Sex mit vielen. Polyamory ist Liebe, ist tiefe, ernste, langandauernde Verbundenheit mit vielen. Ehrlichkeit und gegenseitiges Einverständnis sind ihre Basis, Eifersucht und Okkupierungswut ihr größter Feind. Wenn Sie diese (schon in handelsüblichen nullachtfuffzehn-Beziehungen zum Liebestöter mutierenden) Widrigkeiten überwältigen, werden Sie mit dem Glanz und Gloria einer Liebe belohnt, die in allen Regenbogenfarben schillernden Perlen gleich wertvollste Verbindungen hervorbringt.


Das Mittel zum Zweck

Sie brauchen keine sprudelnden Emotionen, die für Hoch- und Tiefpunkte sorgen? Das Wüstenwindtrockene Modell des Zweckbündnisses ist so praktisch wie ein Selbstbauregal von Ikea aus unbehandeltem Holz: Nach Belieben zu bearbeiten, zu bemalen, mit weiteren Regalböden oder einer Kleiderstange zu erweitern. Ebenso können Sie Rückwände und Glastüren anbauen, um wertvolle Dinge darin zu verstauen. Wie Kinder, Geld, Haus. Partner, die eine Zweckbeziehung eingehen, haben sich oft entliebt (aber nicht entfremdet), oder tun sich eigens dafür zusammen, Kinder in die Welt zu setzen und ihnen ein sicheres Zuhause zu bieten. Wenn Sie sich neu oder überhaupt endlich mal verlieben, ist es deswegen ideal, wenn schon ein Haus mit Garten und Abenteuerspielplatz vorhanden ist. Denn dann wird aus Ihrer versachlichten Erziehungszelle eine fluffige Patchworkdecke mit eingenähten Sparstrümpfen und vergoldeten, extrem widerstandsfähigen Teflonfäden.


Wie immer auch eine Ehe geführt wird - sie kann nicht willkürlich geführt werden, nicht erfinderisch, kann keine Neuerung, Änderung vertragen, weil Ehe eingehen schon heißt, in ihre Form eingehen.
Ingeborg Bachmann
Was Sie über die Liebe und ihre Spielarten wissen sollten
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