Zuwanderer willkommen

Neue Integrationsbeauftragte Lemmermeier spricht nicht so gern von den Defiziten

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

26 Frauen und 17 Männer hatten sich für den Posten beworben. Drei gelangten in die engere Auswahl. Genommen wurde schließlich Doris Lemmermeier. Sozialminister Günter Baaske (SPD) stellte die neue Landesinterationsbeauftragte am Freitag vor. Die 54-Jährige übernimmt die Funktion von Karin Weiss, die Anfang des Jahres ins rheinland-pfälzische Familienministerium gewechselt war.

Geboren wurde Lemmermeier in Heidenheim an der Brenz. Bereits als ganz junge Frau ist sie allerdings aus Baden-Württemberg weggezogen. Das habe sie immer gewollt und mittlerweile fühle sie sich als Brandenburgerin, sagt sie.

Über Defizite bei der Integration von Ausländern und über Probleme mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit möchte Lemmermeier nicht so gern sprechen, weil dies leider viel zu oft im Mittelpunkt stehe. Natürlich gebe es Defizite und deswegen viel zu tun, räumt sie ein. Sonst wäre eine Integrationsbeauftragte ja nicht notwendig. Aber: In der Uckermark beispielsweise gebe es zwar den einen oder anderen Problemfall. Doch es leben dort inzwischen sehr viele polnische Familien glücklich und zufrieden. Lemmermeier kennt sich mit den Nachbarn gut aus. Sie war von 1998 an zehn Jahre lang Geschäftsführerin des Deutsch-Polnischen Jugendwerks und erhielt 2010 das Offizierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen. Von 1977 bis 1983 studierte Lemmermeier in Göttingen Slawistik, promovierte über Literaturverfilmungen im sowjetischen Stummfilm. Polnisch beherrscht sie besser. »Mein Russisch hat unter dem Polnisch sehr gelitten«, schmunzelt die sympathische Frau, die wegen einer Störung des zentralen Nervensystems seit 2002 im Rollstuhl sitzt.

Für Sozialminister Baaske bleibt Integration eine große Herausforderung. Die Zahl der Flüchtlinge steige und man sei nicht nur gesetzlich, sondern auch menschlich verpflichtet zu helfen. Baaske erinnert daran, dass die rot-rote Regierung das Asylbewerberleistungsgesetz gemeinsam mit Rheinland-Pfalz abschaffen wollte. Den Flüchtlingen würde das gut tun, weil selbst mickrige Hartz-IV-Sätze noch höher liegen. Doch der Vorstoß fand im Bundesrat keine Mehrheit. Nun wolle der Bund sogar das Sachleistungsprinzip wieder fester verankern. Das würde bedeuten, dass die Asylbewerber sich Mäntel, Butter und Käse in Kleider- und Speisekammern abholen müssten. »Das ist unwürdig«, schimpft Baaske. Da seien ja sogar die umstrittenen Gutscheine, die der Landkreis Oberhavel statt Geld ausgibt, noch besser. Mit den Gutscheinen kann wenigstens in Geschäften eingekauft werden.

In Brandenburg leben jetzt fast wieder so viele Asylbewerber wie 2003, als es 1700 waren. Zwischenzeitlich war ihre Zahl im Jahr 2007 auf einen Tiefstand von 500 abgesunken. Deswegen wurden Aufnahmekapazitäten abgebaut, die jetzt fehlen, weil sie nicht so schnell wieder aufgebaut werden können. Baaske betont, dass Zuwanderer angesichts des drohenden Fachkräftemangels gebraucht werden. Er beklagt, dass Rumänen und Bulgaren zwar in Deutschland wohnen, aber nicht automatisch hier arbeiten dürfen.

»Integration bietet für unsere Gesellschaft viele Chancen«, meint die Integrationsbeauftragte. Männer, Frauen und Kinder aus anderen Ländern und Kulturen bereichern das Leben, findet sie. Doch »um von der Integration wirklich profitieren zu können, müssen wir in Brandenburg die Willkommenskultur weiter ausbauen«.

Immer wieder geschehen »unschöne Dinge«, bedauert Lemmermeier. Allerdings sei die jetzige Bürgerinitiative gegen das Asylheim in Wandlitz mit den Ausschreitungen von einst in Rostock-Lichtenhagen nicht zu vergleichen, denkt sie - und möchte dafür arbeiten, dass es vorwärts geht. Neun Mitarbeiter werden ihr zur Seite stehen. Nach sieben Jahren soll nun ein neues Integrationskonzept erstellt werden, das sich etwa mit Unterbringung, Sprachkursen und Arbeitsvermittlung befasst.

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