Durchgeknallte und Demagogen
Ob Fitschen allerdings an Christian Wulff heranreicht, ist zu bezweifeln. Der vormalige Bundespräsident hatte sich zu einem Wutanruf beim Chefredakteur der „Bild"-Zeitung hinreißen lassen, die ihre Rechercheure auf Wulffs Hauskredit und andere kitzlige Themen losgelassen hatte. Der Anruf fand zwar schon im Dezember 2011 statt, sein Wortlaut wurde aber erst im Januar 2012 publik, ein paar Wochen später trat Wulff zurück.
Beide Fälle weisen eine unerfreuliche Parallele auf: Die Empfänger der Anrufe konnten sich danach als Exponenten der Korrektheit, als Verfechter der Pressefreiheit bzw. der unbeeinflussbaren Politik in Szene setzen. Bei einer Zeitung wie „Bild" bereitet das durchaus Schmerzen, und einem Mann wie Bouffier aus dem Dunstkreis von Roland Koch, aus der Kaderschule der skandalgeschüttelten, stiefelstramm konservativen Hessen-CDU möchte man auch nicht gerade als Vorzeigepolitiker zujubeln. Sicher, es liegt in der Logik der Sache, dass angeschlagene Politiker wie Wulff oder Manager wie Fitschen genau dort anrufen, wo sie auf ein gewisses Potenzial an entgegenkommender Filzokratie hoffen dürfen. Aber man möchte nicht Demagogen gegen Durchgeknallte verteidigen. Man will nicht Vereine in Schutz nehmen, die Schwarzgeld zu jüdischen Vermächtnissen umlügen und rassistische Wahlkampfkampagnen führen. Oder die mit knallblöden Schlagzeilen die Kioske und Gehirne fluten.
Wenn man einen Wunsch fürs neue Jahr äußern dürfte: Liebe Skandaleure und Bankrotteure, beschwert euch doch mal bei sympathischen, angenehmen Adressaten, die eine Grundsubstanz Anstand im Leibe haben. Ruft sie an, macht sie nieder, beleidigt sie, pflaumt sie voll, bedroht sie. Dann macht es wesentlich mehr Spaß, für sie in die Bresche zu springen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.