Jeans zu Hungerlöhnen

Gesundheitliche Schäden bei Näherinnen durch katastrophale Arbeitsbedingungen in Kambodscha

  • Robert Luchs
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Arbeitsbedingungen in kambodschanischen sind nicht viel besser als in Pakistan oder Bangladesch. Jeden Monat fallen vermutlich wegen Chemikalien in den Textilien Dutzende Näherinnen in Ohnmacht.
Die Bilder gleichen sich – die miesen Arbeitsbedingungen auch.
Die Bilder gleichen sich – die miesen Arbeitsbedingungen auch.

In Pakistan und Bangladesch sind bei katastrophalen Bränden in Textilfabriken Hunderte Näherinnen einen qualvollen Tod gestorben. In diesen Fabriken sind oft die Notausgänge blockiert, es gibt viel zu wenige Feuerlöscher und Stromleitungen sind defekt. Kambodscha ist von Katastrophen dieses Ausmaßes bisher verschont geblieben, doch sind die Produktionsbedingungen in dem südostasiatischen Land nicht viel besser.

Mit zahlreichen Aktionen in europäischen Einkaufsstraßen hatte die »Clean Clothes Campaign« (Kampagne für saubere Kleidung, CCC) auf die schlechte Bezahlung von Textilarbeitern in Kambodscha aufmerksam gemacht. Mit den Protestaktionen sollte der Druck auf Modefirmen wie H&M, Levi`s und Gap erhöht werden, den kambodschanischen Arbeitern Löhne zur Sicherung des Existenzminimums zu zahlen. »2012 muss das letzte Jahr gewesen sein, in dem die Käufer von Weihnachtsgeschenken Kleidung kaufen, die zu Hungerlöhnen hergestellt wurde,« sagte der Koordinator der Proteste, Klaus Melvin Jensen.
Insgesamt beschäftigt die kambodschanische Textilindustrie in rund 300 Fabriken über 300 000 Menschen. Lokale Textilgewerkschaften fordern für die überwiegend weiblichen Arbeiter einen Mindestlohn von 100 Euro im Monat; derzeit liegt er bei rund 60 Euro. Um ein menschenwürdiges Leben bestreiten zu können, benötigt eine Familie mit zwei Kindern umgerechnet mindestens 200 Euro.

Im vergangenen Jahr brachen Näherinnen in mindestens einem Dutzend Textilfabriken in der Hauptstadt Phnom Penh ohnmächtig zusammen. An einem Tag waren es 85, am nächsten bereits 198. Eine Untersuchungskommission stellte als Ursache für den Massenkollaps unter anderem chemische Substanzen, unzureichende Luftzufuhr und Unterernährung fest. Die zumeist jungen Arbeiterinnen, die noch ihre Familien auf dem Land finanziell unterstützen, arbeiten tagsüber oft ohne Pause und sparen sich noch einige Dollar vom Essen ab. Seitens der Gewerkschaften wird vermutet, dass die Textilfabriken Chemikalien einsetzen, um eine bessere Haltbarkeit der Materialien zu gewährleisten. In Kambodscha vergeht kein Monat, ohne dass von Ohnmachtsanfällen in einer der zahlreichen Fabriken berichtet wird, die Phnom Penh wie ein riesiger Ring umschließen. Inzwischen schaltete sich auch die amerikanische Organisation Fair Labor Association (FLA) ein, die von »exzessiven Arbeitszeiten« berichtete.

Für den schmalen Lohn schuften die Frauen mindestens neun Stunden am Tag, auch samstags. Überstunden, die immer wieder anfallen, werden mit 50 Cent pro Stunde entlohnt. Vor zwei Jahren traten rund 60 000 Textilarbeiterinnen in einen Streik, der von Unternehmerseite als illegal bezeichnet wurde. Die Gewerkschaften wurden aufgefordert, sich für den Ausstand zu entschuldigen. Die CCC rechnet die hohen Gewinnspannen der Firmen vor. Bei einer 100-Euro-Jeans lägen die Lohnkosten bei nur einem Euro. Die Werbung macht 25 Euro aus, das Gros, satte 50 Euro, steckt der Handel ein. Kleidung und Textilien sind das Rückgrat der kambodschanischen Wirtschaft – entsprechend abhängig ist das kleine Königreich am Mekong und spürt unmittelbar die Beben der Wirtschaftskrisen im Westen. Kündigungen werden oft über Nacht ausgesprochen – ändert sich die Lage, stehen schon Tausende billiger Arbeitskräfte Schlange. Aber auch die, die ihren Arbeitsplatz trotz ständiger Kündigungsdrohungen behalten dürfen, können sich im Alltag kaum über Wasser halten: Steigende Preise für Lebensmittel und Benzin lassen kaum etwas vom Lohn übrig.

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