Mursi diesmal in Bittstellerpose
Kairo erhält Besuch vom Internationalen Währungsfonds
Der Direktor der Abteilung Naher Osten und Zentralasien des Internationalen Währungsfonds (IWF), Masud Ahmad, ist ein freundlicher älterer Herr, der seine Wünsche in verbindlichen Worten vorzutragen weiß. Das hat er gestern auch zum Auftakt seines Besuchs in Ägypten getan. Ein Fest ist es für die Gastgeber wohl dennoch nicht geworden, denn sie empfingen ihn als reine Bittsteller.
Diese Rolle hatte auch Ägyptens Präsident Mohammed Mursi einzunehmen. Dabei hatte er noch am Wochenende als vermeintlich neuer starker Mann des Nahen Ostens mächtig die Faust geballt; allerdings in Richtung Syrien, dessen Präsident Baschar al-Assad er zum wiederholten Male zum Rücktritt aufforderte und diesmal gleich noch dessen Überstellung vor den Internationalen Strafgerichtshof verlangte.
Vor dem IWF-Repräsentanten Ahmed muss sich Mursi sanfterer Töne befleißigen. Sein Land und damit seine Regierung brauchen Geld und zwar ganz akut: einmal um die laufenden Kreditzinsen bezahlen zu können; ganz besonders aber, weil man diesmal zusätzlich einen neuen Kredit haben möchte. Von 4,8 Milliarden Dollar ist die Rede, möglichst sofort und über eine Laufzeit von 22 Monaten.
Ägypten ist ein Land mit chronisch defizitärem Haushalt. Das sind die - nicht Erdöl exportierenden - arabischen Nachbarn wie Jemen, Jordanien oder Sudan auch. Jedoch haben sie alle zusammen nicht halb so viel Einwohner wie Ägypten zu ernähren. Die schiere Größe also, der Besitz des Suezkanals, dazu eine Schlüsselposition im Nahostkonflikt verschafften Kairo - politisches Wohlverhalten vorausgesetzt - jedoch stets Gönner, die den ägyptischen Haushalt ausglichen oder wenigstens für günstige Kredite sorgten. Dies taten die USA entweder selbst oder über den IWF, in dem sie nach wie vor eine herausgehobene Stellung besitzen. Jetzt aber sieht es noch erheblich ungünstiger aus als gewöhnlich.
Die Wirren des ägyptischen Umsturzes haben, da dieser, anders als beispielsweise in Libyen, eindeutig nicht in ihrem Sinne war, bisherige westliche Geldgeber und Investoren auf Distanz gehen lassen. Mit Saudi-Arabien hat sich Mursi verkracht, weil er die Beziehungen zu Iran wieder aufnahm, und Katar überwies zwar etwa zwei Milliarden, aber die reichen nicht. Ägypten muss, da es seine Bevölkerung nicht annähernd aus eigenem Aufkommen ernähren kann, ständig Lebensmittel, vor allem Getreide, auf den internationalen Märkten kaufen.
Der gestürzte Präsident Husni Mubarak hatte die Verbindlichkeiten in seinen letzten Amtsjahren leicht zurückfahren können. So war die Staatsverschuldung von 102,7 Prozent des Bruttosozialprodukts (BSP) im Jahre 2004 bis 2010 auf 81,4 Prozent BSP gedrückt worden. Aber jetzt liegt sie bereits wieder bei geschätzten 90 Prozent. Die gnadenlosen Ratingagenturen verurteilten Ägypten dafür zu einem »B minus«.
Bezahlbare Kredite bekäme Ägypten auf den Weltfinanzmärkten damit nicht mehr. Deshalb schielt Kairo auch zum IWF. Dieser nimmt gegenüber Ägypten eine Doppelrolle ein, ist Ausplünderer und Mäzen zugleich: Er hat einerseits Kairo strenge Auflagen erteilt, um zum Beispiel durch Erhöhung von Verbrauchs- und nicht etwa Unternehmenssteuern die Staatseinnahmen zu erhöhen.
Davor scheute Mursi. Er wollte nicht riskieren, auch noch die eigene Klientel gegen sich aufzubringen. IWF-Direktor Ahmad wird trotzdem nicht den Gnadenlosen geben können. 1977 hatten ein Spardiktat des Fonds und die folgende Erhöhung der Brotpreise schon einmal fast zum Regimesturz geführt. Den aber möchte man beim IWF nicht oder nur dann, wenn man selbst über den Nachfolger bestimmen kann.
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