Werbung

Mélenchon verliert Genossen

Mitbegründer der Partei der Linken Marc Dolez ausgetreten

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Streit um die Ausrichtung der französischen Linkspartei hat einer ihrer Mitbegründer ihr den Rücken gekehrt - weil sie unter Führung von Jean-Luc Mélenchon linksextremistisch geworden sei.

Der Abgeordnete der Nationalversammlung Marc Dolez, der 2008 zusammen mit Jean-Luc Mélenchon die Sozialistische Partei verlassen hatte, um die Parti de Gauche (Partei der Linken) zu gründen, kehrte eben dieser Ende Dezember aus Protest über ihr »Abdriften in die extrem linke Ecke« den Rücken. »Jean-Luc Mélenchon hat zu verantworten, dass die Partei heute kein Echo mehr in der Öffentlichkeit findet«, erklärte er in einem Zeitungsinterview.

Den »fantastischen Erfolg« bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr, wo der Kandidat Mélenchon elf Prozent der Stimmen auf sich vereinigte, wurde seiner Meinung nach bei den Parlamentswahlen im Juni »verspielt«. Dass Mélenchon demonstrativ im nordfranzösischen Hénin-Beaumont gegen die Frontfrau des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, angetreten ist - mit dem Ergebnis, dass beide geschlagen wurden - bezeichnet Dolez als »katastrophale Fehleinschätzung«. Ihn habe man vorher nicht gefragt, »wohl weil man wusste, wie ich darüber denke«.

Der 1952 im nordfranzösischen Douai geborene Marc Dolez ist zutiefst mit dieser Region verbunden. Hier trat er schon als Jugendlicher in die Sozialistische Partei (PS) ein, hier sammelte er erst als Kommunalpolitiker seiner Heimatstadt und dann im Regionalrat erste Erfahrungen, hier wurde er 1997 zum ersten Mal in die Nationalversammlung gewählt, der er seitdem als Abgeordneter angehört. Von 2003 bis 2005 war Dolez zudem Vorsitzender der nordfranzösischen Föderation der PS. Dolez gehörte dem linken Flügel der Partei an, der mehr soziales Engagement forderte und sich gegen die in der PS Ton angebenden sozialdemokratischen und neoliberalen Kräfte stemmte. Da er innerhalb der Partei für diese Positionen keine Zukunft mehr sah, trat er 2008 zusammen mit Mélenchon aus und gründete mit ihm die Partei der Linken. Die bildete zusammen mit den Kommunisten bei den Wahlen 2009 und 2012 die Linksfront, die sich klar links von den Sozialisten positionierte und alle emanzipatorischen Kräfte sammeln wollte.

»Doch die Partei der Linken hat sich von diesen Positionen entfernt«, glaubt Dolez heute. »Meiner Meinung nach muss gegenwärtig alles getan werden, um das Land aus der Krise zu führen. Unser Ziel muss es sein, Alternativen aufzuzeigen.« Stattdessen sei die Partei der Linken in die »extrem linke Ecke abgedriftet« und habe sich selbst zu einer Organisation gemacht, die zu ewiger Minderheit verurteilt ist. »Jean-Luc Mélenchon kritisiert häufiger den Präsidenten und die Regierung als die Rechte«, stellte Dolez fest, der in diesem Zusammenhang auch die »maßlose Wortwahl« seines einstigen Genossen bemängelte. »Ich glaube auch nicht an die Unversöhnlichkeit zweier linker Lager und an den Mythos von der ›Auffangposition‹. Ich will den Erfolg der Linken und liebäugle nicht mit dem Gedanken, dass die Regierung scheitert und wir dann die Trümmer auflesen. Sollte die Sozialdemokratie zusammenbrechen, fürchte ich, dass davon die extreme Rechte profitiert.«

Marc Dolez, der bei der Parlamentswahl 2012 als einziger Abgeordneter mit dem Etikett der Partei der Linken in die Nationalversammlung einziehen konnte, schließt aber kategorisch aus, dass er jetzt zu den Sozialisten zurückkehrt: »Ich bin und bleibe ein aktiver Kämpfer der Linksfront, die meiner Meinung nach weniger verzichtbar denn je ist.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!