Triebwerke dröhnen im Minutentakt

Wie Spandauer mit der verlängerten Öffnung des Flughafen Tegel zurechtkommen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nichts als Vogelgezwitscher liegt über dem Germersheimer Platz in Spandau. Eine Wohngegend, wie aus dem gutbürgerlichen Bilderbuch entsprungen. Inmitten des begrünten Areals liegt ein Spielplatz, ideal für junge Familien, von denen ringsherum mit Sicherheit einige in den aufgereihten viergeschossigen, sanierten und unter Denkmalschutz stehenden gelben Altbauten wohnen. Selbst der Straßenlärm von der nur wenige Gehminuten entfernten stark befahrenen Falkenseer Chaussee dringt nicht bis in diesen Winkel Spandaus vor.

Melanie Schröder ist mit ihrem vierjährigen Sohn Marvin gerade auf dem Weg zum Kinderarzt. Die junge Frau zog mit ihrem Partner erst vor drei Jahren in diese Wohngegend. »Den Tipp haben wir von Freunden erhalten«, erzählt Schröder. Mit dem Tipp meint sie die für Spandauer Verhältnisse zwar etwas teureren aber im Vergleich zu Stadteilen wie Friedrichshain-Kreuzberg oder Charlottenburg noch immer bezahlbaren Mietpreise. Allerdings hat das familiäre Idyll derzeit noch einen entscheidenden Haken. »Als wir hier hergezogen sind, dachten wir, dass der Flughafen Tegel demnächst schließen würde«, erinnert sich Schneider.

Wie zum Gegenbeweis donnert im selben Moment eine Maschine über die Häuserdächer hinweg und übertönt den bisher die Geräuschkulisse dominierenden Vogelgesang. Große Teile Spandaus liegen inmitten der Flugschneise von Tegel und werden es aufgrund der Bauverzögerungen in Schönefeld auf absehbare Zeit bleiben. Macht der derzeit viertgrößte Flughafens Deutschland dann doch eines Tages dicht, werden die Mieten in Spandau deutlich anziehen, glaubt Schröder. Deshalb wollte sie hierher, bevor sich die kleine Familie die absehbar ruhiger werdende Wohngegend nicht mehr hätte leisten können.

Zwar ist die Flughöhe am Germersheimer Platz längst nicht so tief wie in der Flugschneise am Kurt-Schumacher-Platz in Reinickendorf. Doch das Dröhnen der Flugzeugtriebwerke reicht auch in Spandau aus, um so manchen Anwohner seiner Ruhe zu rauben.

In Tegel gilt theoretisch zwischen 23 und 6 Uhr Nachflugverbot. Doch gerade im letzten Sommer gab es aufgrund des Wetters zahlreiche Ausnahmegenehmigungen. Starts und Landeanflüge fanden auch nach Mitternacht statt. Schröder befürchtet, dieses Szenario könnte sich wiederholen. »An ein offenes Fenster ist dann in der Nacht nicht zu denken«, beklagt die Mutter.

Kaum hat sie den Satz beendet, hört man aus der Ferne bereits das nächste Flugzeug in Richtung Himmel emporsteigen. Zu Stoßzeiten und bei gutem Wetter hätten Menschen mit Fernweh hier gute Chancen, im Minutentakt einem Flieger hinterherzutrauern.

In einer in Tegel landenden Maschine hat kurz zuvor Marianne Weber gesessen. Die Rentnerin zieht einen blauen Rollkoffer hinter sich her, an dem ein Zettel mit den Buchstaben TXL, der internationalen Abkürzung für den Flughafen Tegel, baumelt. Weber kommt gerade aus München zurück, wo sie für einige Tage ihre Kinder und Enkel besucht hat. Eine Bahnfahrt wäre für sie nicht infrage gekommen. »Dauert doch alles viel zu lange und wer weiß, wie viel Zeit mir noch bleibt«, scherzt die Rentnerin.

An den Fluglärm der startenden Maschinen hat sie sich längst gewöhnt. »Davon bekommen ich und mein Mann schon seit vielen Jahren kaum noch etwas mit«, erzählt Weber. Gerne sitzt die Rentnerin auf einer Parkbank im nahgelegenen Spektebecken und schaut den startenden Flugzeugen hinterher. »Früher bin ich öfters gereist«, erinnert sich Weber.

Ein wenig täte es ihr um den alten Tegeler Flughafen leid, beteuert sie. Immerhin stecke »viel Geschichte in dem Flughafen«. Was in Schönefeld geschehe, findet Weber dennoch »nur noch peinlich«.

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