Piraten dümpeln in der Flaute

Ein Einzug der Partei in den niedersächsischen Landtag erscheint derzeit unwahrscheinlich

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Piraten in Niedersachsen haben wie auch die Bundespartei mit schlechten Umfrageergebnissen zu kämpfen. Der Spitzenpirat ist dennoch zuversichtlich, den Einzug in den Landtag zu schaffen.

»Niedersachsen hat eine rund 200 Kilometer lange Küste, trotzdem können die Piraten da nicht landen.« Sprüche und Witze wie dieser machen zwischen Harz und Nordsee immer häufiger die Runde. Innerhalb weniger Monate hat die Piratenpartei auch in Niedersachsen einen dramatischen Absturz hingelegt. Statt der ihr noch im Frühjahr prognostizierten acht Prozent lag sie in den Umfragen zuletzt stabil bei drei Prozent. Ein Einzug in den Landtag bei der Wahl am Sonntag erscheint somit äußerst unwahrscheinlich.

Die Gründe sind größtenteils dieselben, die auch den bundesweiten Niedergang der Partei ausmachen: Personalquerelen und Rücktritte, programmatisches Kleinklein, keine erkennbare politische Strategie, Finanznot. Dazu kommen aber auch hausgemachte, das heißt im niedersächsischen Landesverband zu verortende Probleme.

So brauchte es drei Anläufe, bis Parteitage die Landesliste aufstellen konnten. Auch als endlich alles eingetütet schien, legte ein Pirat von der Basis Beschwerde ein: Er bezweifelte, dass die Kandidatenliste korrekt zustande gekommen war. Unter anderem kritisierte er, die Liste sei in den Sommerferien aufgestellt worden, wodurch mögliche Bewerber ausgeschlossen worden seien. Erst Ende November entschied der Landeswahlausschuss endgültig, dass sich die Piraten zur Wahl stellen dürfen.

Über Monate erschütterte zudem ein Streit über den Umgang mit ihrem unter Rechtsextremismusverdacht stehenden Mitglied Carsten Schulz den Landesverband. Schulz fordert unter anderem Straffreiheit für das Leugnen des Holocaust und den freien Verkauf von Adolf Hitlers Buch »Mein Kampf«. Er selbst bezeichnete sich mehrfach als »linksliberal«. Er wolle »Holocaustleugnung entkriminalisieren, um Neonazis besser bekämpfen zu können«, sagte er in Interviews.

Ende März 2012 war Schulz zunächst in Hannover zum Direktkandidaten für den Landtag gewählt worden. Als Lokalzeitungen über seine Positionen berichteten, annullierte der Landesvorstand die Wahl. Später wurde er in Wolfenbüttel erneut zum Landtagskandidaten vorgeschlagen. Fünf von sieben Vorstandsmitgliedern des Kreisverbandes Wolfenbüttel-Salzgitter traten daraufhin zurück, der Vorstand war damit nicht mehr handlungsfähig. Gegen Schulz wurde zwischenzeitlich ein Ausschlussverfahren eingeleitet, das angeblich kurz vor dem Abschluss steht.

Die innerparteilichen Turbulenzen sind für Spitzenkandidat Meinhart Ramaswamy weitgehend Vergangenheit, die miesen Umfragewerte fechten ihn nicht an - sagt er jedenfalls: »Wir spüren, dass das Interesse wieder anzieht«. Optimistisch stimme ihn auch der große Rückhalt durch die Mitglieder: »Im letzten Jahr haben wir uns in Niedersachsen fast verdreifacht auf rund 2900 Piraten. Ich bin überzeugt, dass wir am Ende knapp über sechs Prozent liegen werden.«

Der promovierte Kultur- und Sozialwissenschaftler und siebenfache Vater Ramaswamy hat eine bewegte Vergangenheit. Beruflich engagierte er sich unter anderem als Geschäftsführer einer Waldorf-Schule und des Göttinger Stadtradios, Personalentwicklungsplaner, freischaffender Dozent und Publizist. 2006 mischte er im Kommunalwahlkampf der LINKEN in Göttingen mit. Später fragten ihn sozialliberale Kräfte in der FDP für eine Bundestagskandidatur an. 2009 schloss er sich den Piraten an und wurde gleich deren Landesschatzmeister - im ganz breiten Spektrum der Partei steht er deutlich links.

Folgerichtig sieht Ramaswamy denn auch »kaum Übereinstimmungen mit der CDU, aber deutliche Überlappungen mit Grünen und SPD«. Für den unwahrscheinlichen Fall der Fälle - dass also die Piraten es erstens in den Landtag schaffen und zweitens von Rot-Grün für eine Mehrheitsbildung benötigt werden - könnte sich der Spitzenpirat »schon vorstellen, dass es zu einer Zusammenarbeit kommt. Wie eng die sein wird, ob das eine Koalition sein sollte oder ein anderes Modell, wird sich zeigen. Wir sind da offen.«

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