Roma dürfen im Winter bleiben

Extra Abschiebestopp des Innenministers praktisch nicht notwendig

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Roma und andere Flüchtlinge aus Balkanstaaten sollen nicht ausgerechnet in der kalten Jahreszeit zurück in ihre Heimatländer müssen. Darum wird in Brandenburg seit Tagen und Wochen über einen Winter-Abschiebestopp diskutiert. Immer wieder gibt es Wortmeldungen, seit zuerst kurz vor Weihnachten die Organisation »Pro Asyl« und der Flüchtlingsrat Brandenburg von Innenminister Dietmar Woidke (SPD) verlangten, einen Abschiebestopp zu erlassen - allerdings vergeblich, weil Woidkes Ressort die Notwendigkeit nicht sieht.

Heiligabend schloss sich die Landtagsabgeordnete Bettina Fortunato (LINKE) an. »Auch wenn im Gegensatz zu anderen Bundesländern zurzeit nur noch weniger als 30 Roma in der zentralen Aufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt leben, wäre eine Abschiebung angesichts des massiven Wintereinbruchs auf dem Balkan in jedem Einzelfall problematisch«, fand sie. Vielen Roma drohe nach Einschätzung von »Pro Asyl« in ihren Herkunftsländern eine extreme Diskriminierung. Sie müssten in kaum beheizbaren Behelfssiedlungen leben oder wären sogar obdachlos. »Angesichts dieser Situation würde ich es sehr begrüßen, wenn das Innenministerium seine Auffassung noch einmal überprüft und sich dem befristeten Winter-Abschiebestopp der Bundesländer Thüringen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz für besonders schutzbedürftige Asylbewerber anschließt«, sagte Fortunato.

Auf seine unnachahmliche Weise reagierte darauf dann zu Jahresbeginn der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Nešković, der wenige Wochen zuvor aus der Linksfraktion ausgetreten war. Er sprach von einem »erneuten Versagen« der rot-roten Landesregierung und einem »politischen Armutszeugnis«, wenn Brandenburg einen Abschiebestopp nicht erlasse, wo sich doch sogar das CDU-regierte Thüringen zu einem solchen humanitären Schritt entschlossen habe. Für Rot-Rot sollte der Abschiebestopp eine Selbstverständlichkeit sein. Es sei ein Offenbarungseid, wenn die LINKE dem Innenministerium wie ein Bittsteller gegenübertrete. »Eine Politik, die mit solch einem demütigen Koalitionsgehorsam auftritt, setzt sich dem Vorwurf aus, dass sie nicht der Umsetzung linker Ziele, sondern lediglich der Versorgung von Funktionären dient«, schimpfte Nešković. Zuletzt äußerte sich am 8. Januar die märkische Piratenpartei mit dem Hinweis, dass Anfang Januar angeblich die ersten Abschiebungen aus Brandenburg geplant seien.

Doch das Innenministerium winkt ab. Diese Befürchtung habe sich als nicht zutreffend herausgestellt, erklärte Sprecher Ingo Decker. Am 9. Januar hielten sich ihm zufolge lediglich 21 Roma in der Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt auf. Acht davon seien erst am Tag zuvor eingetroffen. Darüber hinaus befinden sich in zwei Landkreisen »noch einige wenige Roma, für die aber keine Abschiebungen während der Wintermonate geplant sind«. Decker wies ausdrücklich darauf hin, dass in Brandenburg in den vergangenen Monaten keine Angehörigen von Minderheiten aus den Westbalkanstaaten abgeschoben worden sind. »Es stehen solche Abschiebungen auch nicht bevor.«

Daraus lässt sich leicht schließen, dass ein Winter-Abschiebestopp in Brandenburg praktisch nicht notwendig ist. Allerdings könnte das Erlassen eines Abschiebestopps ein Zeichen setzen und Bundesländer zur Nachahmung ermuntern, die derzeit sehr wohl Roma wegschicken. Im Innenministerium ist man sich dessen offensichtlich durchaus bewusst. Ob es gleichwohl der genannten Tatsachen eines formalen Abschiebestopps bedürfe, sei »letztlich eine politische Frage«, merkte Ministeriumssprecher Decker an.

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