»Gegen eigene Interessen«
Offener Brief beklagt Ausgrenzung der LINKEN durch den DGB
Die LINKE sieht sich links liegen gelassen. In einem Offenen Brief an den DGB-Vorsitzenden Michael Sommer haben neun Bundestagsabgeordnete die Ausgrenzung ihrer Partei durch den Gewerkschaftsbund kritisiert. Man sei »verwundert«, heißt es in dem Schreiben, dass der DGB im Rahmen seiner Bundesvorstandsklausur in dieser Woche zwar Kanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück sowie den grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Wilfried Kretschmann, in dessen Berliner Landesvertretung trifft - nicht aber die Linkspartei.
Auf der bis Mittwoch andauernden Klausur wollen die DGB-Spitzen über die »inhaltliche Aufstellung zur kommenden Bundestagswahl sowie aktuelle politische Themen wie die Entwicklungen in der Wirtschafts- und Finanzkrise« beraten. Der Bundesvorstand besteht laut Satzung aus vier Hauptamtlichen des geschäftsführenden Vorstandes sowie den Bundesvorsitzenden der acht DGB-Mitgliedsgewerkschaften.
Am Dienstag und Mittwoch lädt der DGB zu Pressekonferenzen mit DGB-Chef Michael Sommer, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Am Mittwochabend folgt das Treffen mit Kretschmann.
Die Absender des Offenen Briefes, darunter der frühere Linksparteivorsitzende Klaus Ernst sowie die Bundestagsabgeordneten Karin Binder, Werner Dreibus, Jutta Krellmann und Michael Schlecht, verweisen auf die Rolle des DGB als Einheitsgewerkschaft und bezeichnen es als »befremdlich«, dass gerade die LINKE »ausgegrenzt wird«. Die Unterzeichnenden sind auch Gewerkschaftsmitglieder und halten Funktionen auf unterschiedlicher Ebene - vom Bereichsleiter Wirtschaftspolitik beim ver.di-Bundesvorstand, Michael Schlecht, über die nordrhein-westfälische IG-Metall-Sekretärin, Jutta Krellmann, bis zur DGB-Regionsvorsitzenden Mittelbaden, Karin Binder.
Die Partei greife »bei der Bekämpfung der prekären Beschäftigung, der Bändigung der Finanzmärkte, der Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen usw. viele Vorschläge auch der Gewerkschaften« auf, heißt es in dem Schreiben.
Dass die Linkspartei zur DGB-Klausur »gerade in der Woche vor den Landtagswahlen in Niedersachsen« nicht eingeladen sei, wird in dem Brief als »ärgerlich« bezeichnet. »Dass die politische Konkurrenz versucht uns aus dem Landtag fernzuhalten, ist ja noch nachvollziehbar.« Doch die Nicht-Einladung der LINKEN durch den DGB »halten wir für einen Verstoß gegen das Prinzip der Einheitsgewerkschaft und gegen eigene Interessen«, schreiben die Bundestagsabgeordneten weiter.
Aber auch von anderer Stelle kommt Kritik. Auf der Internetseite »Nachdenkseiten«, schreibt Mitherausgeber und Alt-Sozialdemokrat Wolfgang Lieb: »Ein Kampf für einen ›Kurswechsel‹ sieht anders aus.« Nehme man die gewerkschaftlichen Positionen ernst, könne man »mehr sachliche Übereinstimmungen mit der Linkspartei als mit der SPD feststellen.«
»Es stellt sich die Frage, ob der DGB wirklich diesen Kurswechsel wolle oder ob das nur Sonntagsreden sind und man sich insgeheim schon mit einer Großen Koalition unter CDU-Führung abgefunden hat«, sagte Linksfraktionsmitglied und Leiter des ver.di-Bildungsbereiches in Bayern, Harald Weinberg, gegenüber »neues deutschland«. Michael Schlecht findet die Aufstellung des DGB »irritierend«. »Anscheinend meint man mit den Erfindern und Unterstützern der Agenda 2010 die »neue Ordnung« wieder herstellen zu können«, sagte er am Montag in Berlin laut Mitteilung.
Seitens der Dienstleitungsgewerkschaft ver.di hieß es am Montag: »Ver.di bemüht sich, alle im Bundestag vertretenen Parteien gleich zu behandeln.« Dafür würde regelmäßig zu Parteiabenden eingeladen, die sich auch »reger Beteiligung« erfreuten. Von der IG Metall kam eine ähnliche Antwort. Der DGB schwieg am Montag zum Thema. »Dazu äußern wir uns nicht«, hieß es auf nd-Anfrage.
Die Vorsitzenden der LINKEN, Katja Kipping und Bernd Riexinger sind dem Vernehmen nach im Februar beim DGB zu Gast. Ob die Einladungspraxis zur Vorstandsklausur nun politisches Kalkül oder einfach Unachtsamkeit war, für Ärger hat sie gesorgt.
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