Wirtschaftliche Expansion um jeden Preis

Im nordbrasilianischen Bundesstaat Pará müssen Aktivisten sozialer Bewegungen um ihr Leben fürchten

  • Andreas Behn, Rio de Janeiro
  • Lesedauer: 3 Min.
Im nordbrasilianischen Bundesstaat Pará leben Aktivisten sozialer Bewegungen gefährlich. Immer wieder kommt es zu Mordanschlägen, Todesdrohungen sind an der Tagesordnung.

Die Reichtümer des Amazonas sind begehrt. Die Expansion von Holzindustrie und industrieller Landwirtschaft bedroht dort die bisherigen Bewohner. Wer dagegen kämpft, lebt gefährlich. Die Liste der Opfer ist um einen Namen länger: Mamede Gomez de Oliveira. Der Aktivist der Landlosen-Bewegung MST wurde einen Tag vor Weihnachten in Belém, der Hauptstadt des Bundesstaates Pará, erschossen. Das Engagement des 58-Jährigen für die ökologische Landwirtschaft war der mächtigen Agrarlobby schon seit langem ein Dorn im Auge.

Auch Laísa Santos Sampaio fürchtet um ihr Leben. Trotz mehrfacher Todesdrohungen erhält die Lehrerin keinen Polizeischutz, das Programm zum Schutz von Menschenrechtlern teilte ihr kürzlich die vorläufige Ablehnung ihres Antrags mit. Amnesty International und lokale Menschenrechtsgruppen wollen verhindern, dass Laísa Santos das gleiche Schicksal erleidet wie ihre Schwester und ihr Schwager. Beide wurden im Mai 2011 von Auftragskillern erschossen.

Die Familie lebte seit 15 Jahren in Nova Ipixuna, im Herzen des Amazonasstaates Pará. Sie betrieben ökologische Landwirtschaft und wehrten sich gegen die Großgrundbesitzer, die ihnen ihr Land streitig machten und illegale Abholzungen betrieben. »Die Drohungen begannen schon vor über zehn Jahren«, erinnert sich Laísa Santos. »Jetzt kann ich kaum alleine auf die Straße gehen. Aber ich werde hier nicht weggehen und mich weiter für die Erziehung zur nachhaltigen Entwicklung einsetzen.«

Drei Täter sind in Haft, zwei Auftraggeber immer noch auf freiem Fuß. In Pará herrscht weitgehend Straffreiheit, und die Konflikte um Landbesitz werden zumeist mit brutaler Gewalt ausgetragen. Die Landpastorale (CPT) zählte in Pará allein im Jahr 2011 zwölf Mordfälle mit diesem Motiv und 78 Morddrohungen. 80 Prozent aller Todesfälle im Zusammenhang mit Landkonflikten geschehen im Amazonasgebiet.

Verschiedene Wirtschaftssektoren dringen mit oft dubiosen Methoden in Gebiete vor, in denen Kleinbauern, Indigene oder Nachfahren entflohener Sklaven - sogenannte Quilombolas - zuvor ungestört von Subsistenzwirtschaft lebten. »Die Vertreibung alteingesessener Bewohner durch Großgrundbesitzer oder Unternehmen, sind immer noch der Hauptgrund für die Gewalt«, sagt Marco Apolo, Rechtsberater der Menschenrechtsorganisation SDDH im Belém. »Mittlerweile haben aber 25 Prozent der Gewalttaten ihre Ursache in Umweltkonflikten, beispielsweise durch den Bau des Staudamms Belo Monte«, so Apolo im Gespräch mit »nd«.

»Die Daten über die Gewalt zeugen von einem erklärten Krieg gegen alles, was sich der Entwicklung und dem Fortschritt entgegen stellt. Er richtet sich gegen Indigene und andere traditionelle Gemeinden, da ihre Lebensweise dem vorherrschenden Entwicklungsmodell entgegen steht«, schrieb die Landpastorale der katholischen Kirche zu der Gewalt auf dem Land.

Die Repression beschränkt sich nicht auf Morde und Todesdrohungen. Laut Rechtsanwalt Marco Apolo werden mittlerweile diejenigen, die sich gegen die Missstände wehren, seitens des Staates kriminalisiert. »Wir beobachten zunehmend, dass soziale Bewegungen und insbesondere deren Sprecher von den Machthabern als Kriminelle bezeichnet werden.« Damit würden deren Anliegen diskreditiert, so Apolo. »Der Staat lässt nicht nur die Gewalttaten zu, er ergreift nun auch Partei, indem er sein Gewaltmonopol gegen die Menschenrechtler einsetzt.«

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