Wie lange grünt es noch so grün

Nach stetigem Aufstieg wären 2013 sogar wieder zwei Bundestagsabgeordnete drin

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Es wird gemeldet, dass sich die Landesvorsitzende Annalena Baerbock und der Stadtverordnete Andreas Menzel darum streiten, wer bei der diesjährigen Bundestagswahl in Potsdam und Umgebung für die Grünen antreten darf. Dabei ist dies kaum des Berichtens wert, denn die Ökopartei hat weder in diesem, noch in einem anderen brandenburgischen Wahlkreis auch nur die geringste Chance. Sicher: die hier erzielten 10,7 Prozent bei der Bundestagswahl 2009, das waren beinahe drei Prozent mehr als beim zweitbeste Wahlkreisergebnis der märkischen Grünen und das lag deutlich über dem Landesdurchschnitt von 6,1 Prozent. Für einen Sieg wo auch immer ist der Landesverband mit seinen aktuell 940 Mitgliedern jedoch weiterhin einfach zu schwach.

Bemerkenswert wäre aber der stetige Aufstieg. 1990, als Grüne und Bündnis '90 noch nicht zu einer Partei vereint waren, gelangten zwei Abgeordnete aus diesem Spektrum in den Bundestag, darunter der damals bekannte Dokumentarfilmer und Bürgerrechtler Konrad Weiß. Aber 1994, mit einem Ergebnis von lediglich 2,8 Prozent in Brandenburg, blieben die Grünen draußen. Ab 1998 schaffte es dann immer nur eine Frau ins Parlament: erst Sylvia Voß und dann dreimal in Folge Cornelia Behm. Doch kletterten die Prozentzahlen von 3,6 über 4,5 und 5,1 bis auf 6,1 Prozent.

Inzwischen kratzt die Ökopartei wieder an der Marke, die für einen zweiten brandenburgischen Grünen im Bundestag erforderlich wäre. Das hat sie sich auch vorgenommen, wie Sprecher Simon Zunk bestätigt. Ob es gelingt, hängt ihm zufolge von verschiedenen Faktoren ab, etwa davon, wie viele Parteien die Fünf-Prozent-Hürde meistern. Wahrscheinlich benötigen die märkischen Grünen für zwei Abgeordnete ungefähr 7,5 Prozent.

Es muss allerdings nicht immer weiter aufwärts gehen. Schließlich haben sich auch die märkischen Liberalen seit 1994 schrittweise von 2,6 auf 9,3 Prozent verbessert. Doch es ist fast sicher, dass die kriselnde FDP jetzt abstürzt. Auch die LINKE hat sich - sogar schon seit 1990 - bei Bundestagswahlen in Brandenburg immer nur gesteigert. Der Stimmenanteil konnte nahezu verdreifacht werden. Von 11,3 Prozent ging es in teils atemberaubenden Sprüngen bis hinauf auf 28,5 Prozent. Doch dies nun noch zu übertreffen, scheint ziemlich unmöglich zu sein. Bescheiden setzte sich die LINKE im vergangenen Jahr 25 Prozent plus X als Wahlziel - obwohl, nein bescheiden war das gar nicht. Angesichts der damaligen Situation der Partei musste dies sogar als ehrgeiziges Vorhaben gelten, bis sich die Umfragewerte zuletzt auf 26 Prozent verbesserten.

Bei den stets extrem selbstbewusst, ja oft schon überheblich auftretenden Grünen fragt sich, wie lange der Trend nach oben anhält, wann sie ihr Potenzial in Brandenburg vorläufig ausgeschöpft haben. Die märkischen Grünen haben zwar durchaus fähiges Personal, Landtagsfraktionschef Axel Vogel als Westimport beispielsweise oder als Eigengewächs die Europaparlamentarierin Ska Keller, die aus Guben stammt. Aber wegen einer geschickten Öffentlichkeitsarbeit wirken die Grünen insgesamt doch bloß besser als sie tatsächlich sind. Irgendwann allerdings hilft auch der flotteste Spruch nicht mehr weiter.

Freilich wimmelt es in Berlin-Prenzlauer Berg nur so von Umweltaktivisten, die sich im Bioladen erkundigen, ob sie guten Gewissens Thunfisch kaufen dürfen, die seelisch unter der Betonwüste der Hauptstadt leiden und sich nach einem grünen Fleckchen im Umland sehnen. Doch nur wenige verwirklichen diesen Traum, ziehen nach Brandenburg und wählen dann dort grün. Bewegung gibt es zwar immer auch unter der einheimischen Bevölkerung. Selbst oberbayerische Bergbauern können sich, enttäuscht von der CSU, den Grünen zuwenden. Doch ehe sich solche Veränderungen spürbar auszahlen, vergeht gewöhnlich mehr Zeit als die vier Jahre zwischen zwei Bundestagswahlen.

Annalena Baerbock möchte auf Platz eins der Landesliste. Widersacher Menzel bewirbt sich für Platz zwei.

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