Privatisierung der S-Bahn droht zu platzen

Kammergericht rät Senat dazu, laufendes Ausschreibungsverfahren abzubrechen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.

Kein Tag ohne neuen Ärger für den Berliner Senat: Zu den Problemen mit dem BER gesellt sich jetzt auch noch ein drohendes Scheitern der geplanten Teilprivatisierung der Berliner S-Bahn. Wie das Mitarbeiter-Informationsblatt »BahnInfo« vermeldet, ist die Berliner S-Bahnausschreibung »defacto« gescheitert.

Demnach habe der Vergabesenat des Berliner Kammergerichts die Klage der S-Bahn Berlin gegen die Laufzeit des fahrzeugseitigen Ausschreibungsteils an den Europäischen Gerichtshof verwiesen. Weil ein solches Verfahren häufig Jahre in Anspruch nimmt, hat das Kammergericht dem Land Berlin dringend geraten, das laufende Ausschreibungsverfahren abzubrechen und ein neues weniger kompliziertes Verfahren auf den Weg zu bringen.

Der Senat hatte im Juli 2012 Teile der S-Bahn europaweit ausgeschrieben. Gesucht wurde ein Unternehmen, das die Ringbahn und ihre zulaufenden Linien ab 2017 betreibt. Wer den Zuschlag erhält, sollte laut Senat im Jahr 2014 entschieden werden. Das letzte Wort über die Ausschreibung sollte das Abgeordnetenhaus haben. Gegen diese Ausschreibung hatte sich die Klage des S-Bahn- Mutterkonzerns Deutsche Bahn gerichtet, die nun vom Kammergericht an den Europäischen Gerichtshof verwiesen wurde.

Offenbar klagte der Bahnkonzern zu Recht. Denn das Kammergericht glaubt, dass die Vertragskonstruktion für die Ausschreibung möglicherweise gegen EU-Recht verstoßen könnte. Anwälte der S-Bahn argumentierten darüber hinaus gegen eine Teilung der Laufzeit der Ausschreibung: Der Senat hatte bei seiner Ausschreibung vorgesehen, dass das Unternehmen, das den Zuschlag für den Betrieb erhalten hatte, nach den ersten 15 Jahren im Jahr 2032 die Züge auch weitere 15 Jahre zu warten habe, selbst wenn ein anderer Anbieter ab diesem Zeitpunkt zum Zuge käme. Ein weiterer möglicherweise unrechtmäßiger Punkt ist zudem das Ansinnen des Senats, alle ab 2017 neu angeschafften Züge und deren Werkstätten im Jahr 2050 nach Ablauf des Vertrages kostenlos zu übernehmen.

Auch ohne das schwebende juristische Verfahren befürchten Experten, dass die dringend benötigten S-Bahnfahrzeuge nicht mehr rechtzeitig für den Betrieb ab 2017 beschafft werden können. Denn dann laufen die Betriebsgenehmigungen für zwei von drei Berliner S-Bahnbaureihen aus.

Kritiker der Ausschreibung sahen sich gestern in ihren Warnungen bestätigt. Der Fahrgastverband IGEB forderte eine schnelle Weichenstellung des Senats, damit in getrennten Verfahren sowohl Fahrzeuge beschafft als auch die Betriebsführung ausgeschrieben werden. Auch die LINKE empfahl dem Senat, dem Rat der Richter zu folgen und das Ausschreibungsverfahren zu beenden. »Die Koppelung der Fahrzeugbeschaffung an die die Ausschreibung ist ein Fehler, weil sie dazu führt, dass die Beschaffung erst nach Abschluss der Ausschreibung erfolgen kann«, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Partei, Harald Wolf.

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