Hannover sucht den Keks
Bahlsens vergoldetes Firmen-Wahrzeichen ist weg, ein Monster meldet sich - Erpressung oder PR-Gag?
Hannover (dpa/nd). Erst holen offenbar dreiste Diebe den vergoldeten Keks von der Fassade des Bahlsen-Stammhauses, dann taucht ein Erpresserbrief vom »Krümelmonster« auf. Die Geschichte rund um das verschwundene Wahrzeichen des traditionsreichen Gebäckherstellers Bahlsen wird immer abstruser.
Dem Schreiben, das bereits am Dienstag bei Bahlsen und bei der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung« eintraf, war ein Foto beigelegt: Es zeigt eine Person im Krümelmonster-Kostüm, das in einen riesigen goldenen Leibniz- keks beißt. Die Polizei Hannover geht nun auch dem Verdacht der versuchten Erpressung nach. Die Spezialisten der Polizeidirektion Hannover prüfen derzeit, ob es sich um eine Fotomontage handelt.
Erinnerung an »Dagobert«
»Das wird noch einige Tage dauern«, sagt Polizeisprecherin Jacobe Heers am Mittwoch. Noch sei unklar, ob die wahren Keks-Diebe oder Trittbrettfahrer das Schreiben verfasst hätten. Am Donnerstag hieß es: »Es gibt nichts Neues.« In dem aus Zeitungsschlagzeilen zusammengeschnipselten Drohbrief verlangt das »Krümelmonster« allen Kindern im hannoverschen Kinder-Krankenhaus Kekse zu schenken (»Aber die mit Vollmilch«). Die 1000 Euro Belohnung, die Bahlsen zur Ergreifung des Keks-Diebes ausgesetzt hat, sollen zudem an ein Tierheim gespendet werden.
Ist der Keks-Dieb mit sozialer Ader also etwa eine Art moderner Robin Hood? Foppt er gar die Polizei wie vor 20 Jahren Kaufhaus-Erpresser »Dagobert«? Im Internet wird bereits heftig über die Identität des schielenden »Krümelmonsters« diskutiert, das auf dem Foto eigentlich ein wenig an Kermit, den Frosch, erinnert.
100 Jahre lang hing der Keks in fünf Meter Höhe am Stammhaus, er ist Teil der Fassadenverzierung des Jugendstil-Bildhauers Georg Herting. Das Bahlsen-Stammhaus liegt an einer viel befahrenen Straße mitten in der Innenstadt von Hannover. Rund 250 Bahlsen-Verwaltungsmitarbeiter gehen dort täglich ein und aus, rund um die Uhr fahren Autos vorbei. So absurd das alles scheint: Unternehmenschef Werner M. Bahlsen ist nicht zum Lachen zumute. »Es ist eine Straftat. Wir wollen, dass die Sache aufgeklärt wird«, sagte der 63-Jährige am Mittwoch in die Mikrofone und Kameras der Journalisten. Mehrfach appellierte der Gebäckhersteller: »Wir wollen den Keks zurückhaben. Dieser Keks ist für unser Haus ein Symbol. Er ist auch wichtig für Hannover.« Erst im vergangenen Jahr geriet Bahlsen in die Schlagzeilen, als die Firma zunächst das Aus seiner Weihnachtsgebäck-Produktion verkündete - und dies nach Kundenprotesten wieder zurücknahm. Manche Beobachter interpretierten diesen Vorgang seinerzeit als Werbeaktion.
Das echte Monster
Ist der Keks-Diebstahl womöglich auch eine von der Firma eingefädelte Marketing-Aktion, wie im Internet bereits heftig spekuliert wird? »Das ist Unsinn. Wir sind ein seriöses Unternehmen. Mit solchen Dingen würden wir nicht scherzen«, sagt Bahlsen. Auf die Forderungen des Krümelmonsters werde er nicht eingehen. Erst müsse das Kunstwerk zurückgegeben werden. »Wir werden danach eine sehr wichtige soziale Aktion starten, aber wir lassen uns nicht erpressen.« Nach Rückgabe will der Keksproduzent erklärtermaßen 52 000 Leibniz-Kekse an 52 soziale Einrichtungen spenden. Was wiederum an Werbung denken lässt, denn der Leibniz-Keks hat traditionell 52 Zähne.
So wird der Keks-Krimi aus Hannover fortgesetzt. Die Polizei prüft Zeugenhinweise, wonach am 11. Januar in den frühen Nachmittagsstunden der goldene Keks abgeschraubt wurde. Zwei Männer in dunkler Handwerkerkleidung wurden dabei beobachtet. Es gibt aber Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dem Markenzeichen: Vor drei Jahren hatte der mysteriöse Diebstahl der Kultfigur aus dem Kinderkanal »Bernd das Brot« in Erfurt ähnlich viele Schlagzeilen gemacht. Nach zwei Wochen tauchte »Bernd das Brot« wieder auf.
Inzwischen macht der Keks-Klau auch international Schlagzeilen. Sogar die Original-Krümelmonsterfigur aus der US-Fernsehserie »Sesamstraße« meldete sich - und findet die Aktion laut Norddeutschem Rundfunk gar nicht witzig. »Das geht mir mächtig auf den Keks«, soll das echte Krümelmonster laut NDR erklärt haben. Die TV-Figur aus den USA ist gerade in Hamburg zu Gast, weil Dreharbeiten der deutschen Ausgabe der »Sesamstraße« mit Sänger Udo Jürgens anstehen.
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