BER schon vorm Start zu klein

Die Berliner IHK fordert Erweiterungen beim Flughafen »Willy Brandt« in Schönefeld

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Für einen Start im Jahre 2013 wäre der neue Berliner Flughafen »Willy Brandt« gerade noch groß genug gewesen, meint die Wirtschaft. Schon jetzt will sie ihn deutlich erweitern.

Koffer über Koffer an den Check ins - da staunten die Journalisten bei Durchlaufproben in Schönfeld nicht schlecht. Damals stand der neue Berliner Flughafen BER noch vor seinem Eröffnungstermin 3. Juni 2012. Jetzt freilich werden die Attrappen zum willkommenen Argument. 30 Millionen Flugpassagiere werden wohl schon 2017 gezählt, 27 Millionen Passagieren bereits 2015 übertroffen.

Die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) setzt deshalb schon jetzt in der unbestimmten Warteschleife auf deutliche Erweiterungen. Sie forderte gestern mit einem Positionspapier eine Erweiterung der Terminalgebäude und damit mehr Platz für zusätzliche Check-in-Schalter. Errichtet werden sollte ein zusätzliches Satellitenterminal mit Verbindungstunnel. Voraussetzungen für zusätzliche Flugsteige seien zu schaffen.

Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wiegelte erst einmal ab. Er sagte in einem Radiointerview, es ginge zunächst darum, »tatsächlich einen Flughafen zum Fliegen zu bringen und die Probleme zu lösen, die da sind«. Es sei an Schritten zur Erweiterung zu arbeiten, ein komplett neuer Satellit für das Abfertigungsgebäude könne aber nicht sofort umgesetzt werden.

Vor dem August soll angeblich ein neuer Aufbruchtermin in neue Flugzeiten verraten werden. »Jetzt hat man Zeit nachzudenken«, schlussfolgerte IHK-Vize-Hauptgeschäftsführer Christian Wiesenhütter. Er tat harmlos. Nur einige Anregungen würden die Wirtschaftsvertreter geben wollen, mit gesundem Menschenverstand seien sie herangegangen, über die Kosten hätten sie nicht nachgedacht. Aber ernst gemeint ist das farbige Konzept auf edlem Hochglanzpapier wohl doch. »Die entscheidenden Stellen haben das Papier schon«, versicherte er.

Eine starke Auslastung von Beginn an - die ist von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) eingeräumt. Die Erweiterung durch weitere Terminals längst im Gespräch - aber eher unbestätigt und schon gar nicht entschieden. Weitere 500 Millionen Euro Kosten für ein erstes zusätzliches Terminal sollen Spekulation sein.

Die IHK wird konkret. Ihr Konzeptpapier lässt sich durchaus als eine nicht einmal sehr weit vorausschauende Mängelliste verstehen. Das eine zentrale Terminal ist zu klein, doch jeder muss hindurch. Von einer »Sanduhr« spricht IHK-Verkehrsexperte Lutz Kaden, alles müsse durch die Mitte. Vom Bahnhof über die Verteilerebene bis in die Abflughalle führe sogar nur eine einzige Rolltreppe - ein Engpass.

Bei 118 Check-in-Schaltern und voraussichtlich täglich rund 74 000 abfliegenden Passagieren im ersten Jahr kommt ein Counter auf über 300 Passagiere - rund 150 sind es heute auf den Berliner Flughäfen oder in Düsseldorf, etwa 100 in Frankfurt oder München, rechnet die IHK vor. »Ausgerechnet bei der Passagierabfertigung drängen sich die größten Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des Flughafens in seiner heutigen Form auf.«

Auf die Koffer dürfte länger als das geplante Maximum von 30 Minuten für den letzten Langstrecken-Gast zu warten sein. Voraussichtlich muss jedes der acht Bänder am Tag die Koffer von über 4400 Fluggästen befördern. Das ist rund dreimal so viel wie in München oder Düsseldorf und mehr als viermal so viel wie in Frankfurt am Main. Da sollte keins ausfallen.

Hinzu kommen Mängel bei der Sortierung der Sicherheitsabfertigung, die die Fluggäste bei Andrang ins Gewimmel zwingen. Lange Zick-Zack-Wege sind bis zu den Flugsteigen zu bewältigen. Von insgesamt 85 Abstellpositionen gibt es nur 37, die direkt aus den Piers zu erreichen sind.

Der künftige große Single-Airport müsse wachsender Nachfrage entsprechen, warnt die IHK vor einem neuen Desaster. Denn sonst drohe der BER auch noch zu einer Wachstumsbremse zu werden.

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