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Richter entscheiden über Zulässigkeit des S-Bahn-Volksbegehrens
Der Umgang mit der S-Bahn beschäftigt die Gerichte. Nachdem das Oberverwaltungsgericht Ende Januar die von Verkehrssenator Michael Müller (SPD) gestartete Ausschreibung der Ringbahn bremste, könnte es nächste Woche eine weitere Schlappe für den Senat geben.
Der Berliner Verfassungsgerichtshof verhandelt am 13. Februar über die Zulässigkeit des Volksbegehrens, das der Berliner S-Bahn-Tisch 2011 gestartet hatte, um die »Privatisierung und Ausplünderung« der S-Bahn zu verhindern. Die erste Stufe konnte im Dezember 2011 erfolgreich abgeschlossen werden, rund 30 000 Berliner unterschrieben gegen die Privatisierung, 10 000 mehr als notwendig. Daraufhin erklärte der Senat das Begehren für rechtlich unzulässig und legte es dem Landesverfassungsgericht zur Prüfung vor.
»Einige der Einwände, mit denen der Senat unser Begehren abgelehnt hat, hat er mittlerweile selbst widerlegt«, so Rouzbeh Taheri, Sprecher des S-Bahn-Tisches. Damit meint er vor allem die Veröffentlichung des Verkehrsvertrags mit der S-Bahn, eine der zentralen Forderungen der Initiative, zu der die Eisenbahnergewerkschaft EVG und verschieden linke Organisationen gehören. Der Senat stellte den Vertrag bereits im März 2012 ins Internet.
Auch die anderen Bedenken des Senats gegen das Begehren hält Taheri für widerlegt. Etwa dass die S-Bahn die Forderung des Tisches nach mehr Aufsichtspersonal auf den Bahnhöfen gar nicht erfüllen kann, weil dafür eine andere Bahntochter - Station und Service - zuständig ist. »Aus den veröffentlichten Verträgen wissen wir jetzt, das es der S-Bahn möglich ist, selbst Personal auf die Bahnsteige zu bringen«, sagt Taheri. Er sieht deshalb gute Chancen, dass das Verfassungsgericht grünes Licht für das Begehren gibt.
Sollte das der Fall sein, müsste das Abgeordnetenhaus über die Forderungen der Initiative entscheiden. Lehnt es sie ab, startet die zweite Stufe des Volksbegehrens, in der 170 000 Unterschriften gesammelt werden müssten. Danach könnte der Volksentscheid eingeleitet werden. Der S-Bahn-Tisch hat sich dafür schon ein Datum vorgemerkt: »Der 8. Juni 2014 würde gut passen«, findet Taheri. An diesem Sonntag könnte der Entscheid zusammen mit der Europawahl stattfinden.
Doch egal, wie das Verfassungsgericht, droht das Volksbegehren ins Leere zu laufen. Denn der Senat wird die laufende Ausschreibung nicht stoppen. »Das können wir gar nicht, weil wir ja ab 2017 auf jeden Fall neue S-Bahn-Fahrzeuge brauchen«, sagt Daniela Augenstein, Sprecherin des Verkehrssenators. Einen generellen Stopp der Privatisierung hat der S-Bahn-Tsch auch nicht gefordert. »Das ist per Gesetz auch gar nicht möglich. Wir können nur die Hürden so hoch möglich aufbauen, dass sich der Betrieb für Private nicht lohnt«, so Taheri. Deshalb heißt der Gesetzentwurf der Initiative auch nicht etwa »Gesetz gegen Privatisierung«, sondern »Gesetz zur Beendigung des Chaos bei der Berliner S-Bahn«.
Inzwischen sind Dokumente aufgetaucht, die laut einem Medienbericht belegen sollen, dass der Senat selbst für das Chaos mit verantwortlich sein soll. So habe 2003 die Senatsfinanzverwaltung unter ihrem damaligen Chef Thilo Sarrazin (SPD) das »Einsparpotenzial« bei der S-Bahn untersuchen lassen, um die Senats-Zuschüsse zu kürzen. Das soll die Bahn erst auf die Idee zu ihren Kürzungen bei Fahrzeugen und Personal gebracht haben. Die Existenz des Gutachtens wird beim Senat nicht bestritten, »aber die Ergebnisse sind nicht in die Vertragsverhandlungen mit der S-Bahn eingeflossen«, erklärte Augenstein.
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