Den braunen Spuk blockieren

Cottbus wehrt sich gegen NPD-Aufmarsch zur Bombennacht vom 15. Februar 1945

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Nicht nur in Dresden versuchen Neonazis schon seit Jahren, eine Bombennacht im Februar 1945 propagandistisch für sich auszuschlachten. Das geschieht auch in Cottbus. Doch die Initiative »Cottbus nazifrei« will dies nicht zulassen.

Neonazis möchten das Datum 15. Februar »wieder nutzen, um ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten«, steht im Aufruf zum Protest gegen einen geplanten Naziaufmarsch in Cottbus. »Dabei verschweigen sie, dass ihre Ideologie der geistige Brandsatz für Not, Elend und Vernichtung von Millionen Menschen war«, so das Bündnis »Cottbus nazifrei«. In Städten wie Bernau, Eberswalde, Strausberg, Potsdam, Frankfurt (Oder), Neuruppin und Brandenburg/Havel seien zuletzt alle Naziaufmärsche durch zivilgesellschaftliches Engagement verhindert worden. Jetzt gelte es, den »brauen Straßenspuk« in der Lausitz »endgültig schachmatt zu setzen«.

Der 15. Februar 1945, »das ist der Tag, an dem der von Deutschland ausgegangene Krieg auch nach Cottbus zurück kam«, erklärt das Bündnis »Cottbus bekennt Farbe«, in dem sich »Cottbus nazifrei« und der Verein »Cottbuser Aufbruch« zusammengeschlossen haben.

Nach Cottbus ausgewichen

459 US-amerikanische Bomber vom Typ B 17 befanden sich seinerzeit im Anflug auf Schwarzheide. Dort befand sich ein Werk, in dem aus Braunkohle Benzin gewonnen wurde. Dazu gehörte ein Außenlager des KZ Sachsenhausen mit etwa 1000 vorwiegend tschechischen Juden, die in dem Betrieb Zwangsarbeit leisten mussten. Weil das Werk Kraftstoff lieferte, den die faschistische Wehrmacht dringend benötigte, waren die Produktionsanlagen im Verlaufe des Zweiten Weltkriegs mehrmals das Ziel von Luftangriffen. Doch an jenem 15. Februar 1945 machte die Witterung einen Strich durch die Rechnung. Die 459 Maschinen wichen deshalb nach Cottbus aus. Sie bombardierten vor allem den Eisenbahnknotenpunkt.

Am Bahnhof explodierte ein Munitionszug. Auch das Krankenhaus, die Lutherkirche, das Gefängnis und viele Wohnhäuser bekamen Treffer ab. 1000 Menschen starben, 13 000 Einwohner verloren ihre Wohnungen. »Kaum eine Fensterscheibe ist in der ganzen Stadt erhalten, wir haben alles mit Pappen verkleidet«, notierte eine Cottbuserin drei Tage später in ihr Tagebuch. Ihr Nachbarhaus in der Branitzer Straße war zerstört, die eigene Wohnung schwer beschädigt - »Schlafzimmer und kleines Zimmer sind total hinüber, wir sollen ausziehen und wissen noch nicht wohin«. Licht gebe es nicht und Gas auch nicht.

Der Bombenangriff vom 15. Februar 1945 war nicht der einzige, aber der schwerste, den die Lausitzmetropole erlebte. SPD, LINKE, CDU und Grüne »rufen auch in diesem Jahr zu einem würdelosen und bunten Mulitikulti-Fest auf, um auf dem Rücken der Opfer einen einseitigen Schuldkult zu betreiben«, geifert die neofaschistische NPD jetzt.

Im Januar 2009 hatte der NPD-Stadtverordnete Frank Hübner einmal eine offizielle Gedenkveranstaltung zum Jahrestag »des Bombenterrors« beantragt. Ein »würdiger Rahmen« mit »Trauerminute« und »musikalischer Untermalung« von 13 bis 14 Uhr im Stadthaus schwebte ihm vor. Das Stadtparlament lehnte dieses Ansinnen ab. Angemeldet ist für den kommenden Freitag ein NPD-Aufmarsch mit 200 Anhängern. Sammelpunkt des rechten Spektrums sei um 18 Uhr die Güterzufuhrstraße nördlich des Hauptbahnhofs, erläuterte ein Sprecher der Polizeidirektion Süd. Von dort aus soll es, wie im vergangenen Jahr, westwärts in Richtung Ströbitz gehen.

Es sei ihm unerträglich, dass seine Stadt immer wieder als Aufmarsch- und Aktionsgebiet von Neonazis in Erscheinung trete, äußerte Gerd Thiele, Leiter des Cottbuser Planetariums. Und die Bundestagsabgeordnete Dagmar Enkelmann sagte: »Sorgen wir am 15. Februar dafür, dass die Nazis in Cottbus ihr vorerst letztes Aufmarschgebiet verlieren.«

Wer will, kann mitmachen

Geplant sind zwei Gegendemonstrationen. Eine soll um 15.30 Uhr am Hauptbahnhof starten, die andere fünf Minuten später an der Technischen Universität. Die Züge treffen sich dann bereits um 17.30 Uhr am Schillerplatz. Etwa 2000 Menschen hatten sich vor einem Jahr an verschiedenen Aktionen gegen den NPD-Aufmarsch beteiligt, ihn massiv behindert und zeitweise durch Sitzblockaden aufgehalten. »Wir hoffen, diese Zahl wieder zu erreichen«, sagt Angelika Müller von »Cottbus nazifrei«. Nachdem der Schillerpark erreicht ist, werde es zu spontanen Blockaden kommen, erwartet sie. Dabei könne dann mitmachen, wer das möchte.

Der Widerstand gegen die Neonazis sei in Cottbus sehr einhellig, heißt es. Man wolle miteinander und nicht bloß nebeneinander auf die Straße gehen, »gemeinsam und entschlossen« auftreten. Jede friedliche Protest- und Widerstandsform habe ihre Berechtigung.

Die Liste der Unterstützer ist lang. Etliche Landtagsabgeordnete stehen darauf, davon allein sieben Mitglieder der Linksfraktion und Michael Jungclaus von den Grünen. Auch mehrere Bundestagsabgeordnete haben unterzeichnet, unter ihnen Martin Neumann (FDP). Mit von der Partei sind auch Gewerschaften, die Neue Bühne Senftenberg, der Verein Opferperspektive, die Grüne Liga und der Liedermacher Konstantin Wecker.

Im Terminkalender von Finanzminister Helmuth Markov (LINKE) und Sozialminister Günter Baaske (SPD) ist ihr Erscheinen vermerkt. Sie haben sich auch schon früher gemeinsam an derartigen Aktionen beteiligt.

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