Pech bei Reise nach Rostock
Zwei der drei Vollsperrungen der Bahnstrecke von Berlin in den Norden verlängern sich bis zum 9. Juni
Schneller sollen Pendler und Urlauber ans Ziel gelangen. Die Bahnstrecke Berlin-Rostock wird so ausgebaut, dass die Züge künftig mit Tempo 160 fahren können. Doch die Bauarbeiten kommen zu langsam voran. Darum dauert die Vollsperrung der Abschnitte Nassenheide-Löwenberg und Fürstenberg-Neustrelitz noch bis zum 9. Juni. Lediglich auf dem mecklenburgischen Abschnitt von Waren bis Lalendorf-Ost sind die Arbeiten so weit gediehen, dass die Totalsperrung dort am 26. April aufgehoben werden kann. Eigentlich sollte zu diesem Termin die gesamte Strecke wieder frei sein. Reisende sind gezwungen, länger als erwartet den unbequemen und umständlichen Schienenersatzverkehr zu benutzen.
Die Tourismusbranche an der Mecklenburgischen Seenplatte ist entsetzt. Denn so mancher Berliner, der sich Pfingsten oder Himmelfahrt einen Kurzurlaub am Stechlinsee, an der Müritz oder an anderen Gewässern der Gegend erholen wollte, sucht sich nun womöglich ein anderes Ziel für seinen Kurzurlaub. Auch viele Einwohner von Städten wie Fürstenberg und Gransee, die in Berlin ihre Brötchen verdienen, sind stinksauer, weil sie nun sechs zusätzliche Wochen nur umständlich früh zur Arbeit und abends nach Hause gelangen können.
Ralf Schwinghammer von der DB Projektbau GmbH sprach gestern immer wieder von »Pech«, als er in einem Oranienburger Hotel versuchte, die Verzögerung zu entschuldigen. Dass in Oranienburg bis heute Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg liegen, und dass es auch im Spätherbst schon einmal frostig werden kann, hätte die Deutsche Bahn freilich wissen müssen. Trotzdem macht das Verkehrsunternehmen Ausflüchte und verweist auf die Munitionssuche und einen Kälteeinbruch im November.
Es gibt allerdings auch nachvollziehbare Gründe für die längere Vollsperrung. So hatte die Klage einer Anwohnerin wegen der Lärmbelästigung für einen mehrwöchigen Baustopp gesorgt. Schwinghammer erinnert sich noch genau: Am Freitag, dem 13. um 15 Uhr, es war der 13. September, erreichte ihn telefonisch die Hiobsbotschaft. Außerdem bereitete der Untergrund größere Schwierigkeiten als erwartet. Die Gleise führen an drei Stellen über Moore. Auf 2,5 Kilometern müssen insgesamt 7200 Pfähle eingerammt werden, um den Boden zu stabilisieren. Bis zu 21 Meter lang sind diese Pfähle. Im Winter lässt sich das schwer bewerkstelligen. Mittlerweile werden drei große Festzelte benutzt. Sie werden auf den Baustellen über den Pfählen aufgestellt und beheizt.
Schwinghammer beteuerte, dass der neue Termin 9. Juni gehalten wird. Ab dann kann die Strecke Berlin-Rostock zwar nur eingleisig, aber wieder durchgängig befahren werden. Bis zwei Gleise für Tempo 160 fit sind, dauert es dann aber noch bis zum Fahrplanwechsel im Dezember.
Einige wenige gute Nachrichten gibt es dennoch. Am 27. April kann wenigstens zwischen Neustrelitz und Rostock der Zugverkehr wieder aufgenommen werden. Außerdem stoppen der Regionalexpress 5 und die Regionalbahn 12 aus Berlin dann nicht mehr schon in Birkenwerder, sondern erst in Oranienburg. Erst dort müssen Fahrgäste in Busse umsteigen, so dass sich die Fahrzeit um fünf bis zehn Minuten verkürzt, wie Renado Kropp von der DB Regio AG gestern erläuterte. Der Marketingexperte verkauft das als Verbesserung. Man kann es aber auch andersherum betrachten: Gegenüber der anvisierten Zugverbindung dauert die Fahrt auch dann noch 50 Minuten länger. Möglich bleibt von Berlin nach Rostock ein Umweg über Schwerin mit Umsteigen dort. Das dauert 30 Minuten länger als üblich, während die speziellen Ersatzbusse, die von Berlin nach Rostock durchfahren, 60 Minuten länger brauchen. Deswegen werden sie nach Auskunft der Bahn auch kaum genutzt und ab 26. April nicht mehr angeboten.
Durch die Bauarbeiten geschädigte Anwohner können sich an die Bauüberwachung wenden. Tel.: (03309) 47 29 77, (03981) 49 11 44
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