Streikbrecher genießen Schutz

Der Verpackungshersteller Neupack setzt im Arbeitskampf auf Spaltung und Einschüchterung

  • Susann Witt-Stahl
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Monaten kämpft die Belegschaft des Verpackungsherstellers Neupack für einen Tarifvertrag. Das Unternehmen bleibt jedoch hart und setzt auf den Einsatz von Streikbrechern. Linke Gewerkschafter wünschen sich nun eine noch härtere Gangart, um die Forderungen durchzusetzen.

Stagnation im Arbeitskampf bei der Verpackungsfirma Neupack. Das zähe Ringen der Streikenden an den beiden Standorten, Hamburg und Rotenburg/Wümme, um die Festschreibung von Mindeststandards der Lohnarbeit für alle dauert nun schon dreieinhalb Monate. Die Neupack-Eigentümer-Familie Krüger reagiert mit drakonischer Härte. Sie lehnt es kategorisch ab, mit der zuständigen Gewerkschaft IG BCE einen Tarifvertrag zu verhandeln, obwohl darin nur 83 Prozent der Lohnsumme des Flächentarifvertrages gefordert werden. Der Arbeitgeber setzt lieber auf Spaltung und Einschüchterung. Private Sicherheitskräfte verhinderten die Teilnahme von Gewerkschaftsvertretern an einer Betriebsversammlung. Nach der bewährten Methode »teile und herrsche« werden mit einigen Arbeitern individuelle Vereinbarungen getroffen - unterschiedliche Bezahlung, je nach Nase.

Täglich lässt Neupack Busladungen von Streikbrechern herankarren, die zunächst als Leiharbeiter beschäftigt wurden, mittlerweile aber befristete Arbeitsverträge erhalten haben. Gegen die Streikposten der Hamburger Kollegen (von 200 Beschäftigten haben weit mehr als die Hälfte die Arbeit niedergelegt), die sich ihnen entgegenstellten, um die Folgen ihres unsolidarischen Handelns zu diskutieren, erwirkte der Arbeitgeber eine einstweilige Verfügung. Vergangene Woche entschied das Arbeitsgericht: 15 Minuten sind für Versuche erlaubt, die »Arbeitswilligen« umzustimmen.

»Das deutsche Rechtssystem ist schuld, dass wir unser Ziel bislang nicht erreicht haben«, meint der Betriebsratsvorsitzende Murat Günes. »Anstatt dass Arbeitsgerichte das Streikrecht schützen, schützen sie diejenigen, die es brechen«, erklärt der Berliner Arbeitsrechtsanwalt Benedikt Hopmann und fordert Gesetzesänderungen, die den Einsatz von Leiharbeitern und Neueinstellungen während Arbeitskampfmaßnahmen verbieten. Die IG BCE versucht es seit drei Wochen mit einer neuen Strategie: »Flexi-Streik«. Ein unkalkulierbares Rein-und-Raus aus dem Betrieb - einige Tage wird die Arbeit aufgenommen, dann wird sie wieder eingestellt - erhöhe die Lohnkosten, weil die Streikbrecher und die Streikenden bezahlt werden müssen, so die Gewerkschaft. Aber sie wirbt auch für den »Flexi-Streik« als ein Mittel, das »die Substanz von Neupack« nicht »gefährdet«.

Ein Streik, der dem Arbeitgeber nicht richtig wehtun soll? Der Solikreis Neupack, der die Arbeiter im Ausstand vor Ort aktiv unterstützt, wertet die Maßnahme der IG BCE als Gefährdung der Stabilität der Streikfront und findet es eine Zumutung, dass die Streikenden nun den Schikanen des »Betriebsregimes« ausgesetzt sind. »Sie wurden von ihrer Gewerkschaft zur Erwirtschaftung von Mehrwert in die Lohnarbeit geschickt. Die Produktion läuft wieder auf Hochtouren«, ist in einem Papier der linken Gewerkschafter zu lesen.

Sie monieren auch, dass IG BCE und DGB kaum etwas unternommen haben, um Kollegen anderer Betriebe und Gewerkschaften für Proteste vor den Werkstoren zu mobilisieren. Stattdessen begnügten sich die DGB-Vorsitzenden Nord und Hamburg mit moralischen Appellen an den »ehrbaren hanseatischen Kaufmann« und die Arbeitgeberverbände, »nicht länger wegzuschauen«.

Einige Streikende und aktive Gewerkschafter werfen der IG BCE auch eine unterwürfige Haltung vor: »Die Krügers machen Klassenkampf, die IG BCE bittet um Sozialpartnerschaft«, lautet die grundsätzliche Kritik des Solikreis Neupack, der für ein offensiveres Vorgehen plädiert.

»Wir haben nun wirklich alles ausprobiert, was es gibt«, beschwichtigt IG-BCE-Streikleiter Rajko Pientka. »Da gibt es noch viel mehr«, widerspricht der Neupack-Betriebsratsvorsitzende Günes: »Wir müssen den Klassenkampf aufnehmen.« Unterstützung bekommt er vom ver.di-Ortsvereinsvorstand Fachbereich Medien, Kunst und Industrie, der ein Umdenken fordert: »Die Gewerkschaften müssen sich zu revolutionären Kampforganisationen entwickeln, sonst gehen sie kaputt«, sagte Rolf Becker auf einer Veranstaltung.

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