Flüchtlingskinder brauchen mehr Chancen
Experten fordern Zugang zu Bildung und einen diskriminierungsfreien Alltag
Zekia Kar würde gern Anwältin werden. Eigentlich kein besonders ausgefallener Wunsch für eine 19-Jährige. Wäre da nicht ein kleines Detail, das Zekia an der Verwirklichung ihres Traumes hindert. Die junge Kurdin ist ein Flüchtling und deswegen wird ihr mit 19 Jahren der Besuch einer Hochschule in Berlin verwehrt. Nicht einmal Abitur darf sie machen. Nicht weil es ihre Elternverbieten, sondern der Staat.
Das Recht auf Bildung, das in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben steht, gilt für alle jungen Menschen bis zu ihrem 18. Lebensjahr. Zekia, die vor zwei Jahren nach Berlin kam, gehört nicht mehr dazu. Doch selbst das Recht der unter 18-Jährigen findet in Deutschland nicht immer Beachtung.
»Diskriminierung und Ausgrenzung von jungen Migrantenbeziehungsweise Flüchtlingen ist in Berlin keine Ausnahme«, sagte Ibrahim Kanalan am Freitag bei dem Fachtag »Bildung(s)los?! der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), dem Flüchtlingsrat Berlin und der Initiative Jugendliche ohne Grenzen, der die Bildungschancen junger Flüchtlinge unter die Lupe nahm. Kanalan, Jurist und Mitbegründer von Jugendliche ohne Grenzen flüchtete mit 13 Jahren als Kurde aus der Türkei und kam ohne Begleitung nach Berlin. Er gehört allerdings zu denjenigen, die «Glück» hatten, wie er selber sagt. Er besuchte die Schule, machte seinen Abschluss und promoviert derzeit an der Freien Universität. So viel Glück haben die wenigsten Flüchtlingskinder und das fängt bereits bei der frühkindlichen Erziehung an. «Obwohl es geltendes Recht ist, verweigern die Kitas oft Flüchtlingskindern die Aufnahme, mit dem Hinweis auf Platzmangel», weiß Kanalan. Der Jurist fordert den Senat auf, für mehr Chancengleichheit zu sorgen und jedem Kind und Jugendlichen den Zugang zur Bildung zu gewähren - und zwar mit regulären Kita- und Schulplätzen. Unterricht in sogenannten Sammellagern, wo man die Kinder absondere, könne keine Alternative sein.«
Warten auf Kitaplätze, Deutsch- oder sogenannte Förderkurse. Vielen jungen Flüchtlingen bleibt der Zugang zu Bildungseinrichtungen verwehrt und sie müssen lange Wartezeiten auf sich nehmen. Diese Situation wirkt sich gleich doppelt negativ auf die Kinder und Heranwachsenden aus, wie Erziehungswissenschaftlerin Ursula Neumann betonte. »Flüchtlingskinder sind meist traumatisiert und haben viel Negatives erlebt. Trotzdem oder vielleicht auch deswegen sind sie hochmotiviert und wollen zur Schule«, so Neumann.
Statt diese Kinder aufzufangen, reagiere das Bildungssystem mit Ausschluss. Die Folgen sind verheerend. Trotz hoher Motivation scheitern die Jugendlichen und können sich keine unabhängige Existenz schaffen.
Verheerend ist es allerdings auch für Deutschland, denn kein anderes OECD-Land altert und schrumpft so schnell wie die Bundesrepublik. Wenn man sich also den Fachkräftemangel vor Augen führt und die zum Teil jetzt schon unbesetzten Ausbildungsplätze, bleibt fraglich, warum die Potenziale junger Menschen so verschwendet werden.
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