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Die leise Arbeit an der Kunst

Yoko Ono wird heute 80

  • Christoph Nitz
  • Lesedauer: 5 Min.

Sie hat die Beatles zerstört» - beim Presserundgang für die Yoko-Ono-Retrospektive «Half-A-Wind Show» in Frankfurt am Main sitzt die Meinung der meist schweigenden Mehrheit in Form einer Endfünfzigerin aus München mitten unter den wartenden Journalisten. Fast gleichzeitig gibt eine Fernsehredakteurin ihrem Team Hinweise: «Wir brauchen nur sie - keinen Kurator oder so, nur sie.» Yoko Ono steht im Mittelpunkt des Interesses - besonders in den Tagen vor ihrem 80. Geburtstag. Die Ablehnung, die sie seit mehr als vier Jahrzehnten erfährt, nutze sie als positive Energie. Von diesem Antriebsmittel habe sie inzwischen genug für «200 Jahre», sagt sie.«

»Jeder kennt sie, jeder kennt ihren Namen«, beginnt Max Hollein, Direktor der Schirn-Kunsthalle Frankfurt, seine Einführung, »doch viele kennen ihr Werk nicht.« An diesem Fakt scheint sich wenig zu ändern. »The schedule of Ms. Ono is already booked« - diese Mitteilung aus dem Studio One genannten Büro der Künstlerin bekommen viele als Antwort auf Anfragen. Mit zunehmendem Alter wird der Kalender von Yoko Ono immer voller, sie gönnt sich wenig Pausen. Neben der Retrospektive - die noch bis zum 12. Mai gezeigt wird - wurde in Frankfurt die Performance »Sky Piece to Jesus Christ« aus dem Jahr 1965 neu interpretiert. Gestern gingen die »Ono-Festwochen« mit einem Konzert der 2010 wiederbelebten Plastic Ono Band in der ausverkauften Berliner Volksbühne weiter. Vom 21. bis 24. Februar wird Ono beim »Fluxfest« in Chicago erwartet und dort neben anderem einen »Wish Tree« installieren. Zur Feier ihres runden Geburtstages wird der »Imagine Peace«-Tower in der Nähe von Reykjavik leuchten und damit auch die Erinnerung an die »The Ballad of John and Yoko« wach halten. Zum Jahreswechsel wurde eine digitale Edition der »War is Over«-Poster in mehr als einhundert Sprachen präsentiert.

Pünktlich zum Geburtstag wurde auch »Hold me« in der erfolgreichen Remix-Edition ONO vorgelegt. Seit einigen Jahren beliefert die rüstige Jubilarin nämlich die Trend-Diskotheken mit Nachschub - neunmal konnte sie mit tanzbaren Neubearbeitungen ihres Repertoires sogar den ersten Platz der »Billboard›s Hot Dance Club‹«-Charts belegen. Auf dieser Liste finden sich normalerweise Namen wie Madonna, Rihanna, Beyoncé oder auch Lady Gaga. Mit letzterer hat sich Onos Sohn Sean angefreundet und mit einem Twitter-Foto einer leicht bekleideten Gaga, die in die Tasten des sakrosankten weißen »Imagine«-Flügels greift, einen Sturm der Entrüstung in der Beatles-Gemeinde ausgelöst. Dass der weiße Flügel ein Geschenk John Lennons an seine Frau ist, spielte da keine Rolle. Dieses Foto war für viele scheinbar ein weiterer Beweis, dass die kleine Japanerin eine »Hexe« sei. Man werde sich an Yoko Ono nicht erinnern, »wegen der Kunst, die sie geschaffen hat, sondern wegen der Kunst, die ihretwegen nicht geschaffen wurde«, hieß es in der Musikzeitschrift »Rolling Stone« vor vielen Jahren. Die aktuelle Ausgabe macht jedoch mit einer Doppel-Titelseite auf - eine davon von Yoko Ono selbst gestaltet. Auf mehreren Seiten wird sie dort gefeiert: »Sie ist eine der größten Künstlerinnen unserer Zeit.« Die Ausstellung in Frankfurt wird von der Zeitung beworben, sogar die Bundesbahn bietet vergünstigte »Reisepakete« an - das Ansehen von Yoko Ono stieg zumindest in den Medien und in Künstlerkreisen deutlich in den letzten Jahren.

Ihr Werk beruhe auf Ideen, »die mit jedem von uns sehr viel zu tun haben«, sie sei eine Pionierin der Konzeptkunst, eine wichtige Akteurin der Fluxus-Bewegung, Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der Frankfurter Retrospektive, versucht die umstrittene Ikone einzuordnen. In Frankfurt gibt es erstmals auch einen Musikraum - die musikalische Seite ihres Werks rundet die Installationen, Filme, Exponate und Bilder ab. »Jedes Geräusch kann Musik sein«; diese Erkenntnis habe Yoko Ono schon als Jugendliche in Japan gewonnen. Sie begann als erste Frau ein Philosophie-Studium, brach dieses nach zwei Semestern ab und begann ihre künstlerische Weltreise, die seit 1972 einen Fixpunkt im New Yorker Dakota-Gebäude hat. Vor dessen Eingang wurde 1980 ihr Ehemann John Lennon erschossen.

Über ihr künstlerisches Engagement sagt Yoko Ono: Im Gegensatz zu den Politikern könnten und müssten Künstler die Wahrheit sagen und zeigen. Schon 1971 habe John Lennon mit dem Song »Gimme some truth« darauf aufmerksam gemacht. »You are the artists« - Yoko Ono wendet sich an die Medienvertreter und fordert sie auf, beim Versuch, die Welt zu ändern, mitzumachen. »Meine Arbeit ist sehr, sehr leise«, sie wolle das Publikum zur Partizipation einladen. Jeder Besucher ihrer Ausstellung solle die »andere Hälfte« entdecken und sich die Ausstellung als »creator« aneignen. Am Vorabend hatte sie bei ihrer Performance eine Vase zertrümmert und die Scherben an das Publikum verteilt, in zehn Jahren werde man sich wiedersehen und »die Vase zusammensetzen«. Man kann Yoko Onos Engagement für Frieden, Feminismus und Umweltschutz - derzeit ist sie zusammen mit ihrem Sohn Sean Ono Lennon aktiv gegen »Fracking« - naiv nennen, jedoch ist ihr langer Atem anzuerkennen. Seit rund sechs Jahrzehnten treibt sie die Botschaft an: »All we are saying, is Give Peace a Chance«. »Das war ja grauenhaft« - mit diesem Kommentar der Münchner Dame ist die Mehrheitsmeinung auch in der Frankfurter Kunsthalle angekommen. Daran wird sich wohl auch nichts mehr ändern lassen. Zu ihrem 50. Geburtstag meinte Yoko Ono, dies sei die erste Hälfte ihres Lebens. Jetzt möchte sie »definitiv ein zweites Leben« beginnen.

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