Skepsis über Platzecks Schwenk am BER

Initiative: Planfeststellungsbeschluss ändern

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Ankündigung von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und seiner rot-roten Koalition, das Volksbegehren für ein striktes Nachtflugverbot am neuen Hauptstadtflughafen mitzutragen, hat im Land ein geteiltes Echo hervorgerufen. Die Nachtfluggegner bleiben auch nach Platzecks überraschendem Kurswechsel misstrauisch.

Anwohner des Großflughafens in Schönefeld wollen die Potsdamer Staatskanzlei notfalls belagern. Dabei möchte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) mit dem Land Berlin über mehr Nachtruhe am Airport verhandeln - gemäß dem Wortlaut des Volksbegehrens für ein konsequentes Nachtflugverbot. Die Volksinitiative für dieses Verbot gibt sich damit jedoch nicht zufrieden. »Diese Verhandlungen werden natürlich scheitern«, bemerkt Vertreter Matthias Schubert. Darum soll das brandenburgische Verkehrsministerium den Planfeststellungsbeschluss für den Airport ändern. Einen solchen Alleingang mag Platzeck aber nicht wagen. Er glaubt nur an eine einvernehmliche Lösung.

Berlins Senat blockt ab

Axel Vogel, Landtagsfraktionschef der Grünen, begrüßt den Meinungswandel der SPD, befürchtet allerdings, »dass das eigentliche Ziel des Volksbegehrens in den Verhandlungen zerrieben wird«. Höchste Wachsamkeit wollen die Grünen deshalb an den Tag legen. »Mehr als 106 000 Unterzeichner des Volksbegehrens dürfen nicht durch Scheinverhandlungen aufs Kreuz gelegt werden«, sagt Vogel.

Ob Platzeck möglicherweise nur pro forma verhandeln will, weiß Matthias Schubert nicht. Eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses hatten er und seine Mitstreiter von Beginn an im Sinn. Sie konnten dies jedoch nicht in den Text des Volksbegehrens hineinschreiben - weil Volksbegehren in Verwaltungshandeln nicht eingreifen dürfen, wie Schubert erläutert. Darum wurde eine Änderung auf dem Verhandlungsweg gefordert.

Platzeck sei nur gewillt, einen »erkennbar aussichtslosen Weg zu beschreiten«, bedauert Schubert. Damit würde er nur der Form nach dem Volksbegehren entsprechen, nicht jedoch seinem Geist. Wenn die rot-rote Koalition ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr wirklich wolle, dann müsse sie dies mit allen Mitteln durchsetzen. Schubert kündigte an, die Volksinitiative werde Platzeck mit Mahnwachen vor der Staatskanzlei dazu zwingen, den Planfeststellungsbeschluss zu ändern.

Aber wieso keine Mahnwachen vor dem Roten Rathaus, um Zugeständnisse von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zu erreichen? Davon verspricht sich Schubert nichts. »Wir beschränken uns jetzt auf den Druck auf Matthias Platzeck«, sagt er. Fest steht, dass sich der Berliner Senat bislang hartleibig zeigt: Starts und Landungen am späten Abend und am frühen Morgen seien notwendig, heißt es.

Anders als Schubert will die LINKE den Senat aber nicht so leicht davonkommen lassen. Landtagsfraktionschef Christian Görke rechnet mit großem politischen Druck auf Wowereit, der ihn zum Einlenken veranlassen könnte. Aus der eigenen Partei erhält Görke jetzt viel Zuspruch.

Wer verursacht Schaden?

Der Berliner Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich sagt, Brandenburg ziehe »die notwendige Konsequenz aus der fatalen Fehlentscheidung von 1996«. Damals hatten Wowereits Amtsvorgänger Eberhard Diepgen und Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (beide CDU) Schönefeld am dicht besiedelten Rand Berlins als Ort des neuen Hauptstadtflughafens durchgesetzt. Dies sei gegen den Widerstand Brandenburgs geschehen, erinnert Liebich, obwohl es Brandenburger sind, die am stärksten vom Fluglärm betroffen sein werden. Auch darum sei es nachvollziehbar, wenn die rot-rote Koalition nun das Volksbegehren unterstützt.

Zu der Bemerkung Wowereits, durch mehr Nachtruhe entstehe Schaden für die Perspektiven der Region, sagt Liebich, Schaden entstehe nicht durch den zwingend notwendigen Gesundheitsschutz Hunderttausender Anwohner des Flughafens, sondern in erster Linie durch die Verschiebung des Eröffnungstermins auf den Sankt Nimmerleinstag und durch das katas-trophale Management auf der Flughafenbaustelle. Am späten Mittwochnachmittag trafen sich die Vertreter des Volksbegehrens mit den Landtagsfraktionschefs von SPD und LINKE zur Beratung.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.