Ein Aufguss brauner Tunke
»Die Rechte« formiert sich in Niedersachsen
Müssen deutsche Kinder ihre Mutti künftig um mehr Tunke statt um Soße für die Spaghetti bitten? Das ist denkbar, würden die Fantasien der nun auch in Niedersachsen agierenden Partei »Die Rechte« umgesetzt. Sie verurteilt die »Selbstaufgabe der deutschen Sprache« durch Fremdwörter, will »verdrängte Worte« wieder einführen und Medien zum Verwenden ausschließlich deutscher Ausdrücke verpflichten. Das gab's schon einmal, zur Zeit der Hitlerdiktatur. Damals verlangten Lehrer, dass Schüler statt des französischstämmigen »Soße« fortan »Tunke« sagten.
Zu Pfingsten 2012 hatte sich »Die Rechte« als Bundespartei gegründet, später entstanden die Landesverbände Brandenburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Knapp 300 Mitglieder soll es bislang geben. Vorsitzender ist der mehrfach wegen politischer Delikte vorbestrafte Neonazi Christian Worch, gebürtiger Hamburger, jetzt in Parchim in Mecklenburg-Vorpommern ansässig.
Der 56-jährige Rechtsanwalts- und Notargehilfe engagiert sich seit Jahrzehnten in der militanten rechtsradikalen Szene. Unter anderem beteiligte er sich 1978 in Hamburg an einer international bekannt gewordenen Aktion, bei der Männer in Eselskostümen auf Schildern bekundeten: »Ich Esel glaube immer noch, dass in deutschen KZs Juden vergast wurden.«
Unverkennbar beeinflusst
Zahlreiche Auftritte von Neonazis organisierte der Holocaust-Leugner, darunter Rudolf-Heß-Gedenkmärsche, bei denen der »Führer-Stellvertreter« glorifiziert wurde. Sowohl in der »Aktionsfront Nationaler Sozialisten« als auch in der »Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei« (FAP) war der Ultrarechte aktiv. Beide Organisation sind verboten worden.
Vom Verfassungsschutz in Bund und Ländern wird »Die Rechte« wegen fremdenfeindlicher Parolen als rechtsextremistisch eingestuft. Der Einfluss der neonazistischen Szene in der Partei sei unverkennbar, konstatiert zum Beispiel das niedersächsische Innenministerium. In seinem Zuständigkeitsbereich gebe es etwa 30 Anhänger der Worch-Truppe.
Das Programm der Partei wirkt streckenweise wie der Aufguss brauner Tunke aus unseliger Zeit. Behagen wird es alten und neuen Nazis. Zum Beispiel der Wunsch der Rechten, »dass die Duldung von dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländern aufgehoben wird«. Gefallen wird sicher auch das Plädoyer für die »Verschärfung« von Gesetzen und gegen das »Aufweichen« des Strafvollzugs. Homophobe befriedigt womöglich das Nein der Partei zur Gleichstellung schwuler und lesbischer Paare mit Eheleuten. Radikale Lebensschützer bedient »Die Rechte« mit der Aussicht auf ein Abtreibungsverbot, das nur »in wenigen Härtefällen« gelockert werden soll. Banausen, die Jazz und Blues noch immer »Negermusik« nennen, werden sich am Ziel der Partei erwärmen, in der Kultur »übermäßige fremde Einflüsse wie zum Beispiel die Amerikanisierung zurück zu drängen«. Und all jenen, die in jedem Minarett den Untergang Deutschlands wähnen, rufen die Extremisten zu: »Wir lehnen die Einführung des Islamunterrichts an deutschen Schulen strikt ab, da dieser nicht in Einklang mit den abendländischen Werten unserer Kultur steht.«
Partei und Sammelbecken
Politische Beobachter rechnen damit, dass »Die Rechte« mit ihrer fremdenfeindlichen Tendenz auch ehemalige Mitglieder der 2012 verbotenen Nazi-Organisation »Besseres Hannover« anlocken wird. Dieser faschistische Klüngel bedrohte seinerzeit die türkischstämmige Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) und ließ nicht nur in Hannover den »Abschiebär« brummen: einen Nazi im Tierkostüm, der ausländische Mitbürger belästigte und den Hitlergruß zeigte. Niedersachsens Verfassungsschutz will »Die Rechte« genau beobachten, betonte der Chef des Nachrichtendienstes, Hans-Werner Wargel. Im Fokus steht dabei die Frage, wie der neue Landesverband »von gewaltbereiten Neonazis geprägt sein wird«. Im Nachbarland Nordrhein-Westfalen prüft das Innenministerium, ob »Die Rechte« überhaupt eine Partei ist oder nichts anderes als ein Sammelbecken mittlerweile verbotener Nazigruppen. Das Ergebnis soll Ende Februar vorliegen.
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