Sonnenhungrig in Meuro
Bei Schnee und Nebel liefern Solarparks nur wenig Strom - und es gibt auch andere Probleme
Schipkau/Cottbus. Der orangefarbene Schneepflug fährt über die einsame Landstraße, links und rechts türmt sich der Schnee. Wer hier nicht aufpasst, verpasst die Einfahrt zu einem der größten deutschen Solarparks. Vor dem Tor heißt es erst einmal warten, der Mann mit dem Schlüssel fehlt. Ein Schild warnt: »Vorsicht Starkstrom«. Doch die Stromproduktion hält sich an diesem Tag im Solarpark Meuro in der Lausitz in Grenzen. Die über 300 000 Module sind schneebedeckt.
Brandenburg ist von der Agentur der erneuerbaren Energien zum dritten Mal in Folge mit dem »Leitstern« für die besten Bemühungen aller 16 Bundesländer beim Ausbau von Wind-, Solar- und Bioenergie ausgezeichnet worden. Doch ein Ausflug in den Maschinenraum der Energiewende zeigt auch die ganze Dimension der Herausforderungen durch die abrupte schwarz-gelbe 180-Grad-Kehrtwende nach der Katastrophe von Fukushima.
Nachdem der Schlüssel da ist, geht es hinein ins Feld. Früher wurde hier Kohle abgebaut, so schließt sich der Energie-Kreis. Mit weiteren Solarfeldern nebenan ist hier laut Betreiber eine Leistung von 168 Megawatt installiert. Die in endlosen Reihen stehen auf dem zugeschütteten früheren Tagebau Solarmodule, sie bedecken eine Fläche von über 220 Fußallfeldern.
Wenn die Sonne so richtig scheint, können laut Betreiber mit dem gesamten Solarpark-Komplex rund um die als Öko-Vorreiter geltende Gemeinde Schipkau bis zu 80 000 Haushalte mit Strom versorgt werden. Roy Werner, technischer Betriebsführer des Betreibers GP Joule, vergleicht die Winterlage mit einem Iglu. Dort sei es tagsüber auch drinnen hell. Wenn die Sonne durch den grauen Himmel durchscheint, fangen die Elektronen in den Solarmodulen an sich zu bewegen. Die Module stammen übrigens aus Kanada. Die 2500 Wechselrichter zeigen an, dass etwas Strom produziert wird - insgesamt etwa fünf Megawatt. Die oberen Ränder der Module sind frei, der Schnee schmilzt durch die Wärme. Martin Konzag vom Bauamt der Gemeinde muss auf die Frage, ob Schipkau etwas davon hat, nachdenken. Er sagt: »Hoffentlich fließen irgendwann einmal Gewerbesteuern.« Gewinn machen hier andere. Direkt um die Ecke liegt der Lausitzring, ein sündhaft teures Prestigeprojekt mitten in der Prärie, das anders als gehofft wohl niemals die Formel 1 beherbergen wird.
Zum Markenzeichen soll eine komplette Grünstromversorgung werden. Es gibt eine Biogasanlage, ein Solar-Carport für 480 VIP-Autos und mit 7,5 Megawatt und 198 Metern Höhe das weltweit größte Windradmodell. Damit es nicht während eines Rennens vor den Augen der Autofans in der Erde verschwindet, musste das vom Kohleabbau instabile Erdreich 68 Meter tief verfüllt werden. Das Solar-Carport am Ring ist ein netter Beweis für so manche Fehlsteuerung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die Investoren meist schöne Renditen beschert, aber von allen zu bezahlen ist. Der Vertreter eines Energieversorgers räumt ein, dass es wegen der Stahlkonstruktion - unter der Autos im Schatten parken können - die höhere Solarvergütung für Dachanlagen gibt. Das erinnert an Bayern, wo massenhaft scheunenartige Gebäude errichtet wurden, nur damit es die besonders lukrative Dachanlagenvergütung gibt (»Solarstadl«).
Eine halbe Autostunde entfernt wird in Cottbus daran getüftelt, dass der ganze Ökostrom auch in den Rest der Republik transportiert werden kann: Im GridLab, dem Europäischen Trainings- und Forschungszentrum für Systemsicherheit der Elektrizitätsnetze, werden kritische Netzsituationen simuliert. Strömt viel Wind in das Netz oder fällt eine Leitung aus, können andere Leitungen schon mal gelb und rot werden - dann sind sie zu 120 Prozent belastet, und notfalls müssen Kraftwerke herunterfahren.
Neue Netze braucht das Land, und zwar schnell. Denn die Hoffnung von GridLab-Chef Hans-Peter Erbring wird sich wohl nicht erfüllen: »Es wäre schön, BMW und Mercedes nach Brandenburg zu holen, damit die Energie hier verbraucht wird, und nicht über weite Strecken in den Süden transportiert werden muss.« Eine Lösung zur Milderung des Netzproblems wären Speicher für überschüssigen Wind- und Solarstrom. An der Technischen Universität Cottbus wird an der Umwandlung des Ökostroms per Elektrolyse in Wasserstoff getüftelt.
Daraus soll bei Bedarf dann wieder Strom erzeugt werden. Doch das ist kompliziert. Hans Joachim Krautz, Leiter des Lehrstuhls für Kraftwerkstechnik, kritisiert enormen politischen Druck auf die Wissenschaft. Erst habe man jahrelang die CO2-Verpressung erforschen sollen. Und nun heiße es plötzlich bei den Ökostrom-Speichern: »Da muss jetzt ganz schnell was gemacht werden«, sagt Professor Krautz.
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