Durchsuchungen im Lebenspark
In Alt Rehse, einst Schulungsort der NS-Ärzteschaft, wird über die künftige Nutzung gestritten
Neubrandenburg/Alt Rehse (dpa/nd) Das alternative Wohn- und Lebensprojekt »Tollense-Lebenspark« steht offenbar vor dem Aus: Der Eigentümer des geschichtsträchtigen Parks in Alt Rehse (Kreis Mecklenburgische Seenplatte) will das Gelände notfalls auch räumen lassen. »Wenn einer so etwas kauft und nicht bezahlt, hat er kein Recht dort zu bleiben«, sagte Immobilienmakler Gerd Preissing am Montag in Neubrandenburg. Preissing will den 65 Hektar großen Park nach sieben Jahren nun an einen Neubrandenburger Verein vergeben, der dort touristisch aktiv werden will.
Die Betreiber des »Tollense-Lebensparks« hatte 2006 mit Preissing einen Kaufvertrag geschlossen, diesen aber nach Angaben des Immobilienmaklers nicht erfüllt. »Es gab seit Ende 2011 keine Zahlungen mehr«, sagte Preissing. Er habe nun gekündigt. Gegen die Betreiber des »Tollense-Lebensparks« ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg wegen Verdachts auf Betrug, Untreue und Insolvenzverschleppung. In diesem Zusammenhang haben Durchsuchungen in Alt Rehse stattgefunden, bei denen Unterlagen beschlagnahmt wurden, die derzeit noch ausgewertet werden.
Der »Tollense-Lebenspark« Alt Rehse bei Neubrandenburg am Tollensesee ist ein alternatives Wohn- und Lebensprojekt zweier Brüder aus Bayern, das 2006 im denkmalgeschützten Park gestartet wurde. Das Areal mit 20 Häusern diente in der NS-Zeit als »Führerschule der deutschen Ärzteschaft«. Nach 1990 gab es lange Auseinandersetzungen zwischen der Gemeinde und Ärzteverbänden, die die Immobilie zurückforderten, später aber verzichteten.
»Aus Sicht der Gemeinde ist vor allem wichtig, dass das Gelände öffentlich zugänglich bleibt«, erklärte der Bürgermeister von Penzlin, zu dem Alt Rehse gehört, Sven Flechner. Schließlich sei im Park am See für 200 000 Euro auch ein kommunaler Schiffsanleger gebaut worden.
Die Justiz-Ermittlungen gegen beide Lebenspark-Betreiber gehen auf Anzeigen ehemaliger Wohnprojekt-Mitglieder zurück, die nach eigenen Angaben bei Eintritt in die Gemeinschaft Bürgschaften übernehmen mussten, ihr Geld aber nicht wiederbekommen haben sollen. Kommunalpolitiker berichten über Betroffene, die jeweils 70 000 und 90 000 Euro zurückfordern. »Es geht bei den Ermittlungen auch um die Beschaffung von Kreditmitteln durch Täuschung«, erläuterte Levermann. Lebenspark-Leiter Bernhard Wallner wies diese Vorwürfe bisher immer zurück. Auch den Park wolle man nicht verlassen: »Wir feiern jetzt unser siebenjähriges Bestehen und haben keinerlei Absicht, Alt Rehse zu verlassen«, sagte Wallner. Gegen die Neuvergabe will er angehen.
»Wir sind damals mit wenig Geld gestartet. Das wussten alle Beteiligten, sogar die Menschen im Dorf«, räumte der Geschäftsmann ein. Man habe zwei Millionen Euro in den Kauf, die Häuser und die Infrastruktur investiert, was rund der Hälfte des vereinbarten Preises entspreche. Er warf Preissing vor, »weit mehr als den vereinbarten Kaufpreis« zu fordern. Man bewirtschafte den Park derzeit mit rund 40 Menschen, darunter elf Kinder, gemeinschaftlich ökologisch, unter anderem mit Rindern, Pferden und Eseln.
Bürgermeister Flechner hat die Pläne des Immobilienmaklers und des Neubrandenburger Vereins schon gesehen. »Das ist aus Sicht der Gemeinde das beste Konzept«, sagte Flechner. In den Streit möchte die Gemeinde nicht hineingezogen werden. »Wir brauchen einen weiteren touristischen Anlaufpunkt, der Park wäre gut geeignet.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.