Krach im Jugendclub
In der »Linse« spaltet ein neues Nutzungskonzept Träger und Jugendliche
»Wir protestieren massiv gegen das Vorgehen des Trägers, der inzwischen fast alle Mitarbeiter der Linse entlassen oder versetzt hat und die jahrelange ehrenamtliche Arbeit der jungen Menschen mit Füßen tritt sowie ein Stück jugendlichen Freiraum zertrampelt.« Harte Worte haben die »noch vorhandenen Linsen« für den derzeitigen Träger ihres Jugendclubs übrig.
Rund um die Parkaue in Lichtenberg haben sich mit den Jahren viele Sozial- und Kultureinrichtungen angesiedelt. Dazu gehört seit 2004 auch der Jugendclub »Linse«. Träger des Clubs ist der »Sozialdiakonische Jugendarbeit Lichtenberg e.V.« (SozDia) steht dort geschrieben. Neben der »Linse« betreut der Sozialträger der evangelischen Kirche noch viele weitere Einrichtungen im Bezirk,. Im Haus gärt ein Streit zwischen dem Libero e.V., einem Netzwerk zumeist ehemaliger Nutzer der »Linse«, die die Jugendlichen in ihrer Arbeit unterstützen und der SozDia. Im vergangenen Oktober eskalierte dieser Streit, als der langjährige Clubleiters entlassen und zwei andere Mitarbeiter versetzt wurden. »Den Jugendlichen wurden so vertraute Ansprechpartner genommen«, klagt ein Vorstandsmitglied von Libero gegenüber »nd«. Verein und Jugendliche befürchten, dass die jahrelang gepflegten demokratischen Mitspracherechte und inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten der jungen Nutzer nun Stück für Stück abgebaut werden sollen.
»Die Jugendlichen haben die ›Linse‹ zu dem gemacht, was sie bis heute ist. Die SozDia hat aber andere Vorstellungen über das zukünftige Profil und die inhaltliche Ausrichtung der ›Linse‹«, so der Vorstandsvertreter von Libero. Die Linse kann auf eine lange Geschichte als alternativer Jugend- und Musikclub zurückblicken.
1980 im Stadtteil Friedrichsfelde-Ost gegründet, war die Linse bereits zu DDR-Zeiten ein Auftrittsort der systemoppositionellen Musikszene. Viele der so bezeichneten »anderen Bands« fanden in der Linse eine Bühne. Der Club wurde deswegen regelmäßig von der Staatssicherheit beobachtet und kontrolliert. Dass der nach der Wende schließungsbedrohte Club heute überhaupt noch besteht, ist dem Engagement der Jugendlichen zu verdanken. Notwendige Renovierungsarbeiten und die Erneuerung der technischen Ausstattung wurden in der Vergangenheit maßgeblich von ihnen und ihren Unterstützern ehrenamtlich organisiert.
Die SozDia verteidigt derweil ihr angestrebtes Nutzungskonzept mit Verweis auf die jugendpolitischen Zielsetzungen des Bezirks. Im abgeschlossenen Leistungsvertrag ist das Alter der Zielgruppe für die Angebote der Linse von 14 bis 21 angegeben. Die Nutzer des Clubs sind jedoch meist schon Anfang 20. Deswegen müssten die Angebote speziell auf diese Gruppe neu ausgerichtet werden.
Um in dem Konflikt zu vermitteln, wurde Anfang des Jahres der Jugendhilfeausschuss (JHA) des Bezirks eingeschaltet. Ein Beschluss sieht nun vor, dass die beiden Konfliktparteien bis Juni 2013 eine für beide Seiten akzeptable Lösung finden müssen. Ansonsten wird der Vertrag mit der SozDia nicht verlängert. Das wäre aus Sicht des Clubs und von Libero wohl das Beste: »Wir fordern zum 1.7.2013 die bereits 2003 im Jugendhilfeausschuss beschlossene Rückübertragung/Neuausschreibung der Jugendeinrichtung Linse mit dem Ziel des baldmöglichsten Trägerwechsels«, erklärten die Linsen am Dienstag.
Bartosz Lotarewicz von den Lichtenberger Grünen und Mitglied des JHA warnt unterdessen beide Seiten vor einer Emotionalisierung des Konflikts. »Um eine gute Lösung zu finden, ist es wichtig, dass beide Seiten daran jetzt gemeinsam arbeiten. Es gibt einige strittige Punkte. Diese müssen aber sachlich miteinander diskutiert werden«, so der 30-jährige Bezirkspolitiker. Die Jugendlichen wollen in nächster Zeit weiter mit Protestaktionen auf ihre Situation aufmerksam machen.
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