Eine Faser reicht
Anhörung im Bauausschuss: Wie viel Asbest steckt noch in Wohnungen?
Taucht Asbest auf, schrillen die Alarmglocken. Allerdings wird nicht immer so rigoros eingeschritten wie beim Palast der Republik. In 48 000 der 277 000 landeseigenen Wohnungen sollen die krebserregenden Fasern noch stecken, hat der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) ermittelt. Darüber, wie viele Wohnungen in der Stadt insgesamt betroffen sind, gibt es nur Schätzungen, der Mieterverein geht von 60 000 aus.
Der Asbest steckt in Fußbodenplatten, die in den 60er, 70er und 80er Jahren im Westteil der Stadt verbaut wurden. In den Ostbezirken gab es solche nicht, dafür wurden in Neubauten asbesthaltige Sokalitplatten eingesetzt, vor allem im Bad- und Küchenbereich.
Laut BBU sind sie bereits während der Sanierungen in den vergangenen Jahren ausgebaut worden. Im Westteil der Stadt wurden von den landeseigenen Wohnungsunternehmen in den vergangenen zwölf Jahren 38 000 asbestsaniert. Und von den noch vorhandenen Platten gingen keine Gefahren aus, solange sie nicht beschädigt seien oder bearbeitet würden, sagte der BBU-Experte Siegfried Rehberg gestern in einer Anhörung im Bauausschuss des Abgeordnetenhauses. Eine Sanierungspflicht bestehe deshalb bei intakten Platten nicht.
Die Grünen haben einen Antrag eingebracht, in dem sie den Senat auffordern, alle belasteten Wohnungen zu ermitteln und die Mieter zu informieren. Außerdem müssten die betroffenen Gebäude gekennzeichnet werden. Viele Mieter seien empört über den laxen Umgang mit dem Thema, so der Grünen-Abgeordnete Thomas Birk. Von der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag wurde ihnen gesagt, sie könnten die Fußbodenplatten ja selbst auswechseln. Er forderte einen vollständige Entfernung der Platten einschließlich des asbesthaltigen Klebers, so wie es neuerdings auch die Auflagen des Landesamtes für Arbeits-, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (Lagetsi) vorsehen. Bisher reichte es, die Fußbodenplatten zu entfernen und den Kleber zu versiegeln.
Laut Rehberg würde die Komplettentfernung die Sanierungskosten verdreifachen, bei den 48 000 BBU-Wohnungen auf 350 Millionen Euro. »Dafür könnte man 20 000 neue Wohnungen bauen.« Auch ein Gefahrstoffkataster für alle Wohnungen lehnt der Verband ab, da alle Wohnungen untersucht werden müssten, was weitere 420 Millionen Euro kosten würde. Dem Senat schwebt ein Kataster nur für jene Gebäude vor, die saniert werden. Baustaatssekretär Ephraim Gothe nennt es Sanierungsregister. »Dort wollen wir dokumentieren, was getan wurde, ob der Kleber noch drin ist oder nicht.«
Der BBU und auch der Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (LFW) versprechen, die Mieter über die Gefahren zu informieren. Aber aktuell gebe es keine Belastungen im Bestand, nach Sanierungen lagen die Belastungen bei unter 500 Fasern pro Kubikmeter Luft, weniger als das Zehnfache des Grenzwertes. Für Anwalt Sven Leistikow, der Mieter mit defekten Fußbodenplatten vertritt und für eine Familie das Recht auf Schadensersatz und Mietminderung erstritt, spielt die Konzentration der Fasern bei der Gefährdung keine Rolle. »Eine Faser reicht«, erklärte er.
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