Irren ist steinig an der East Side Gallery

Senat will Alternativen zu großem Durchbruch / Schulz sieht Verantwortung weiterhin auf Landesebene

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.

Es verwundere ihn sehr, »dass der Unterzeichner dann in vorderster Front gegen die Bagger demonstriert«. Dies sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Dienstag angesichts der Tatsache, dass Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) sich öffentlich vehement gegen den teilweisen Abriss der East Side Gallery engagierte.

Schulz, seines Zeichens ehemaliger Baustadtrat und heute Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, habe einen Erschließungsvertrag für das Grundstück zwischen Spree und Mauer unterzeichnet, der das Datum vom 11. Februar 2013 trage. Seltsam, dass Schulz kurze Zeit später sich überrascht von der Zerteilung der East Side Gallery zeige, so Wowereit. Schulz hatte außerdem dem Senat die Verantwortung für die notwendigen Bauarbeiten zugeschoben: Nachdem am Freitag ein etwa ein Meter breites Segment aus der Mauergalerie herausgenommen worden war, hatte sich der öffentliche Protest hochgeschaukelt.

Wowereit indes will nun nach einer Lösung suchen. »Soweit ich weiß, gibt es Alternativen für den bisher geplanten großen Durchbruch«, sagte er am Dienstag vor Journalisten. Sowohl Investoren als auch Bezirk hätten gesagt, eine Lücke von 22 Metern Länge sei eigentlich gar nicht notwenig. Wowereits Plan: »Unser Ziel muss sein, die East Side Gallery so wenig wie möglich anzugreifen.«

Der attackierte Bezirksbürgermeister Franz Schulz äußerte sich gestern weiter so, als sei er von Bauplänen und Hochhäusern hinter der Mauer völlig überrollt worden. »Die Mauer darf nicht zum Gartenzäunchen von Hochhäusern werden«, ließ er in einer Pressemitteilung wissen. Auch der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß habe diese Forderung unterschrieben und sei jetzt aufgefordert, sich gegenüber dem Senat dafür einzusetzen. »Mit der breiten öffentlichen Unterstützung« wolle man nun einen neuen Anlauf unternehmen und die Landesebene davon überzeugen, »dass die Planungen der 90er Jahre diesem historischen Ort nicht angemessen sind«, heißt es in der Mitteilung des Bezirks.

Außerdem ließ Schulz wissen, dass der Bezirk seit der Fusion von Friedrichshain und Kreuzberg im Jahr 2001 versuche, Flächen zwischen Spree und East Side Gallery vor Bebauung zu schützen. »Bei vielen Grundstücken ist dies gelungen: Der jetzige Park zwischen Oststrand und Oberbaumbrücke sollte einmal mit Stadtvillen bebaut werden.«

Ob eine Lösung für den geplanten Abriss bis zum 18. März gefunden wird, ist weiter offen. Investor Maik Uwe Hinkel hatte zugesichert, bis dahin keine weiteren Mauersegmente zu entfernen, die an anderer Stelle wieder aufgestellt werden sollten. Hinkel verlangt zudem eine Klärung mit dem Bezirk, wer die Kosten für den Baustopp übernimmt. Der Eigentümer des Grundstücks Mühlenstraße 61 bis 63 will seit langem mit zwei Klagen am Berliner Verwaltungsgericht erreichen, dass er einen alten Mauerdurchbruch von vier auf zwölf Meter erweitern kann. Derzeit werde um einen Vergleich gerungen, sagte ein Gerichtssprecher.

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