Kampf um Tempelhof
Streit um die Zukunft des Feldes ist voll entbrannt
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung spricht mit vorsichtiger Tonlage von einer »behutsamen Entwicklung« des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Wohl um den bürgernahen Charakter des Projekts zu unterstreichen, reden die Verantwortlichen bei der heute Abend stattfindenden Präsentation des »Masterplans« zur Zukunft der Freifläche von einer Standortkonferenz. Auf dieser könnte es allerdings zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Projektbefürwortern und Gegnern der Bebauungspläne kommen.
Eine Steilvorlage dazu lieferte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) am Montag bei der Präsentation des Entwurfs des Stadtentwicklungsplans Wohnen. Areale, wie in Tempelhof, würden für den Wohnungsbau dringend benötigt. Statt der bisher vorgesehenen 2010 Wohneinheiten im Randbereich des früheren Flugfeldes sind nun sogar 5419 Wohneinheiten geplant.
Zur Begründung führt Müller den stetig wachsenden Druck auf dem Wohnungsmarkt an. Bei der Bürgerinitiative »Demokratische Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld e.V.« zeigt man sich von den Äußerungen Müllers irritiert. »Ich halte die Äußerungen des Senators für unklug«, sagt BI-Vorstandsmitglied Felix Herzog.
Anstatt auf die Kritiker des Bauprojektes zuzugehen, würden die Baupläne immer umfangreicher, ohne dass bisher eine ernsthafte Form der Bürgerbeteiligung stattgefunden habe, so der Vorwurf. »Viele Bürger haben Angst, dass die Bebauung immer weiter voranschreitet, falls die Bagger einmal damit angefangen haben«, erklärt Herzog. Die Bürgerinitiative will genau das Gegenteil dessen, was der Senatsverwaltung derzeit für die Zukunft des Tempelhofer Feldes vorschwebt.
Während das Land Berlin drei bis vier neue Stadtquartiere mit Wohnungen, Gewerberäumen und verschiedenen Freizeiteinrichtungen im Blick hat, will die Bürgerinitiative den vollständigen Erhalt der etwa 320 Hektar großen Fläche erreichen. »Bei den derzeitigen Rahmenbedingungen sehen wir keine Möglichkeit für einen Kompromiss«, erklärt Herzog. Anstatt einer Kommerzialisierung der Freifläche soll das Areal für alle Berliner frei zugänglich bleiben.
Die Initiative vermutet, der Senat wolle mit dem Projekt in Tempelhof von Versäumnissen der Vergangenheit ablenken. Anstatt kleinere Flächen innerhalb Berlins für den Neubau von Wohnungen zu nutzen, konzentriere sich die Stadt auf ein Großprojekt. Die Initiative wähnt zudem eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Anlass dafür ist eine im Auftrag der »Berliner Zeitung« am Montag veröffentliche Forsa-Umfrage, wonach sich 57 Prozent der Hauptstädter gegen eine Bebauung des Tempelhofer Feldes aussprechen.
Abgelehnt wird von der Bevölkerung zudem der Plan für den Neubau der Zental- und Landesbibliothek. Für das Planungskonzept des Tempelhofes Feldes bedeutet dies nichts Gutes. Das mit 270 Millionen Euro veranschlagte Prestigeobjekt soll am westlichen Rand des Flugfeldrands entstehen und in das Gesamtprojekt Tempelhofer Feld mit eingebunden werden.
Trotz der schlechten Erfahrungen will sich die Bürgerinitiative an der Standortkonferenz und einer für den 9. März geplanten »Stadtwerkstatt« beteiligen. Laut Herzog gibt es ein Gesprächsangebot der landeseigenen Tempelhof Projekt GmbH an die Kritiker. »Vielleicht ist dies ein erstes Anzeichen, dass die Politik erkannt hat, dass man die Bürger bei der Planung nicht ausschließen sollte«, hofft Herzog.
Sollte das Projekt in seiner jetzigen Form vom Senat weiter verfolgt werden, bleibt der Bürgerinitiative immer noch das Volksbegehren. Die erste Etappe dazu haben die Tempelhofkritiker bereits im Februar geschafft. Der zugrundeliegende Gesetzesentwurf soll noch im März vom Abgeordnetenhaus diskutiert werden. Findet der Vorschlag keine Mehrheit, will die Bürgerinitiative Unterschriften für einen Volksentscheid sammeln.
Standortkonferenz Tempelhofer Freiheit, 17 Uhr, Haupthalle des Flughafengebäudes
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