Quadratur der Kreise

Krisentreffen der Nordost-Landräte mit Regierung

  • Frank Pfaff, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Mecklenburg-Vorpommerns Landkreise und Kommunen dringen auf mehr Geld vom Land. Nach diversen Hilfsfonds zuvor schon soll es nun erneut 100 Millionen Euro geben, um die Umsetzung der Kreisgebietsreform in Schwung zu bringen. Doch die dauerhaften Kommunalzuwendungen will das Land nicht erhöhen.

Wismar. Landrätin Birgit Hesse (SPD) erlebt die Folgen der Kreisgebietsreform sehr direkt. Im Geschoss über ihrem neuen Büro in Wismar wird gebohrt, gesägt, gehämmert. Laut. Sehr laut. Dabei könnte die Verwaltungschefin des Kreises Nordwestmecklenburg in aller Ruhe in ihrem alten Büro in der mit Millionenaufwand sanierten Malzfabrik in Grevesmühlen sitzen. »Der Landtag hat im Kreisneuordnungsgesetz aber Wismar, das gewachsene Zentrum der Region, als neue Kreisstadt festgelegt. Mit echtem und nicht mit virtuellem Verwaltungssitz. Wir müssen also um- und ausbauen. Und das kostet«, beschreibt Hesse die Ausgangslage vor dem heutigen Treffen der Landräte und Oberbürgermeister mit der Landesregierung in Schwerin.

Es geht um Geld, um viel Geld. Und beide Seiten haben vor der Pokerrunde längst nicht alle Karten aufgedeckt. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), der einer rot-schwarzen Regierungskoalition vorsteh, ließ die Kommunen nach dem Koalitionsausschuss in der Vorwoche aber schon wissen, dass er deren Finanzausstattung grundsätzlich für angemessen hält. »Der Landesrechnungshof sagt, dass das Geld ausreicht. Und ich sehe auch keine Möglichkeit, mehr Geld ins System zu geben«, wehrte der Regierungschef vorsorglich Forderungen nach einem neuen, die Kommunen besser stellenden Finanzausgleichsgesetz ab. 100 Millionen Euro, entnommen aus den prall gefüllten Rücklagen des Landes, soll es geben. Einmalig. Aller Voraussicht nach vor allem als Extra-Starthilfe für die klammen neuen Landkreise. Sie wurden 2011 gebildet.

Gerade zwei Millionen Euro habe das Schweriner Innenministerium dem Landkreis Nordwestmecklenburg nach der Fusion mit der zuvor kreisfreien Stadt Wismar als Anpassungsbeihilfe bislang zugestanden, sagt Hesse. Pauschal. »Wir merken jetzt, dass unsere Kritik an der zu geringen Bemessung eher noch untertrieben war.« So seien reformbedingte Zusatzausgaben wie etwa für die Schülerbeförderung, den Nahverkehr insgesamt oder die Verknüpfung der EDV-Systeme gar nicht bedacht worden. Zusatzlasten resultierten aus der Übernahme einst städtischer Schulen in Kreishoheit. »Von den Kosten für die Bauarbeiten am neuen Kreissitz rede ich gar nicht. Nach vier Jahren mit ausgeglichenen Haushalten sind wir als Kreis 2012 erstmals wieder mit vier Millionen Euro ins Minus gerutscht, Besserung nicht in Sicht. Verglichen mit anderen Kreisen geht es uns da aber eher noch gut«, räumt Hesse ein.

Vor allem der Kreis Vorpommern-Greifwald, der für 2013 mit einem Defizit von 30,5 Millionen Euro rechnet, und die Mecklenburgische Seenplatte verzeichnen deutlich größere Fehlbeträge. Die Summe der Kassenkredite - Geld, das sich Kreise und Kommunen teuer bei Banken leihen müssen, um laufende Ausgaben zu begleichen - belaufen sich nach Angaben der Kommunalverbände inzwischen auf knapp 600 Millionen Euro. Tief in den roten Zahlen steckt vor allem auch die Landeshauptstadt Schwerin.

Seit 2009 gewährte das Land den Kommunen neben dem im Finanzausgleichsgesetz festgeschriebenen Betrag von jährlich rund 1,1 Milliarden Euro etliche Sonderzuweisungen. Ausgleichsfonds, Schlaglochfonds, Kofinanzierungsfonds, Konsolidierungsfonds - und nun der Hilfsfonds. In der Summe 400 Millionen Euro. Das zeige doch, heißt es, dass die finanzielle Grundausstattung der Kreise und Kommunen entgegen Sellerings Meinung bei weitem nicht ausreiche, um alle Aufgaben auch finanzieren zu können.

Doch die Landesregierung ihrerseits sieht durchaus noch Sparpotenzial bei Kommunen und Kreisen, beim Personal oder bei Sozialleistungen wie etwa der Höhe von Mietzuschüssen für soziale Schwache. Noch bevor alle am Tisch Platz genommen haben, hat das Pokern schon begonnen.

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