Geisterbahnhof unter dem BER
Damit die fertige Anlage funktionstüchtig bleibt, sind Betriebsfahrten zur Durchlüftung nötig
Nach einem kalten Luftzug aus dem dunklen Tunnel fährt ein Zug in den Geisterbahnhof. Kein Passagier steigt aus, keiner ein. Als die leere S-Bahn wieder abfährt, bleibt der Bahnsteig verwaist. Die Atmosphäre im Kellergeschoss des Pannenflughafens in Schönefeld ist gespenstisch. Der Bahnhof ist fertig, die Fahrkartenautomaten funktionieren - und doch wird sie noch monatelang kein Passagier benutzen. Erst wenn die Brandschutzprobleme am Hauptstadtflughafen gelöst sind, dürfen hier Reisende einfahren. Bis dahin verschlingt der Geisterbahnhof vor allem eine Menge Geld.
Bei Bauherr Peter Schulze schwingt trotzdem ein wenig Stolz in der Stimme mit. Der Bahnhof sei termingerecht fertig geworden, betont er. Und vor allem: »Alles, was mit dem Brandschutz zu tun hat, ist vollständig in Betrieb.« Glücklicherweise funktioniere die Entrauchung unabhängig von der Anlage im Terminal, wegen der die Eröffnung des Flughafens immer wieder verschoben werden musste. »Oben« im Terminal gehe ja auch das Licht nicht aus, scherzt Schulze. »Bei uns klappt das einwandfrei.«
Weniger zufrieden ist die Bahn mit den enormen Kosten, die der leere Bahnhof mit seinen sechs Gleisen mit sich bringt. Weil die Brandmeldeanlage »oben« im Flughafen nicht funktioniert, dürfen keine Fahrgäste in den Tunnel. »So eine Bahnstrecke muss aber trotzdem bewegt werden«, erläutert Schulze. Deshalb rollen jeden Tag mehrere S-Bahnen durch den kilometerlangen Tunnel; dazu noch möglichst jeder Zug, der leer in eine andere Stadt überführt werden muss. Auch der Luftaustausch im Tunnel sei wichtig. »Die Bahn hat ja noch keine Erfahrung mit Eisenbahntunneln, die fertig sind und nicht genutzt werden«, sagt Schulze. Leerfahrten seien zudem die einzige Chance, Fehler vor Ende der Gewährleistungsfrist auszudecken. Rund zwei Millionen Euro soll das die Bahn im Monat kosten. Der Konzernbevollmächtigte Ingulf Leuschel nennt diese Zahl »nicht ganz daneben«. Genauer wolle er nicht werden, so lange über das Geld noch mit der Flughafengesellschaft gesprochen werde. Eine andere Summe nennt die Bahn dagegen bereitwillig: 636 Millionen Euro hätten der Bahnhof und die Anbindung gekostet. Zum ersten Mal liegen Bahnsteige direkt unter einem Flughafen-Terminal. »Wenn Sie an der richtigen Tür aussteigen, sind es vom Zug bis zum Check-In nur 50 Meter«, erzählt Leuschel.
Lokführer Klaus Rühmann hat die kurze Strecke schon getestet. »Bis vor einem halben Jahr konnte man noch hoch und einfach mal ins Terminal schauen, wie da gebaut oder nicht mehr gebaut wurde.« Inzwischen schirme sich der Flughafen gegen neugierige Blicke ab. Die Treppen hoch zum Terminal sind feuerfest verschlossen. (dpa)
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.