60 von 123 in der NSDAP
Wiener Philharmoniker
Die Wiener Philharmoniker haben nach Erkenntnissen von Historikern jahrelang einen früheren Nazi und Kollaborateur, den Trompeter Ernst Wobisch, als Geschäftsführer gehabt. Das geht aus der Arbeit einer Historikerkommission über die Jahre 1938 bis 1945 in dem weltberühmten Orchester hervor, die am Sonntagabend in der österreichischen Hauptstadt vorgestellt wurde. Das NSDAP-Mitglied Wobisch arbeitete als Spitzel für die Gestapo und wurde später Mitglied der SS. 1945 wurde er aus dem Orchester ausgeschlossen, später wieder eingestellt und zum Geschäftsführer gewählt.
Auf diesem Posten war Wobisch von 1954 bis 1968. Er überreichte auch dem ehemaligen NS-Statthalter in Wien, Baldur von Schirach, nach dessen Entlassung aus dem Gefängnis eine Nachfertigung des Ehrenrings der Wiener Philharmoniker, wie die Historiker herausfanden. Die Kommission aus Oliver Rathkolb, Bernadette Mayrhofer und Fritz Trümpi erklärte weiter, dass es unter den Philharmonikern eine ungewöhnlich hohe Anzahl von NSDAP-Mitgliedern gab. Demnach waren 1942 60 von insgesamt 123 Musikern Parteimitglieder. Dagegen lag der Durchschnitt in der Bevölkerung bei zehn Prozent.
Laut Mayrhofer wurden 1938 13 jüdische Musiker vertrieben, drei weitere bereits pensionierte Philharmoniker Opfer des Holocaust. Fünf Orchestermusiker wurden bei »rassistischen Säuberungen ermordet«. Zwei weitere kamen in Wien bei ihrer versuchten Deportation oder Verfolgung ums Leben, insgesamt neun Musiker wurden ins Exil vertrieben. Von ihnen kehrte keiner zurück.
Eine Entnazifizierung des Orchesters habe nie stattgefunden, betonten die Geschichtswissenschaftler. Nur vier Musikern sei nach Kriegsende wegen ihrer Nazi-Vergangenheit gekündigt worden, sechs seien pensioniert worden, wie die Nachrichtenagentur APA von der Vorstellung der Arbeit berichtete. AFP
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!