Gaumensegel auf großer Fahrt

Tropfen, Pflaster, Ringe, Sensoren: Die meisten Antischnarchmittel sind Geldmacherei

  • Angela Stoll
  • Lesedauer: 3 Min.
Hormone sind schuld daran, dass vor allem Männer nachts »sägen«. Meistens ist das Schnarchen harmlos, lediglich Atemaussetzer sollten zum Arztbesuch veranlassen.

Schon Heidruns Vater hatte geschnarcht. Deshalb gab ihr die leidgeprüfte Mutter einen Rat: »Heirate niemals einen Schnarcher!« Doch Heidrun hielt sich nicht daran: Ihr Mann gehört zu jenen Menschen, die fast jede Nacht lautstark »sägen«. Ohne Ohrstöpsel findet die Mutter zweier kleiner Kinder kaum Ruhe: »Im Urlaub hatte ich sie einmal vergessen. Die erste Nacht war ein Albtraum! Ich habe meinen Mann mehrfach geweckt, beschimpft und sogar gedroht, dass ich mich von ihm trenne. Erst gegen fünf Uhr konnte ich endlich schlafen.«

Schnarchen ist etwas fast Alltägliches. Mit dem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, vor allem Männer neigen dazu. So schätzt Prof. Thomas Kühnel, HNO-Arzt am Universitätsklinikum Regensburg, dass etwa 60 Prozent aller Männer ab 40 Jahren schnarchen.

Schnarchen entsteht im Schlaf, weil sich die Muskeln im Hals-Nasen-Rachenraum entspannen. An Engstellen des oberen Atemwegs beginnen dann Weichteile zu vibrieren, so dass ein knatterndes Geräusch entsteht. Oft ist das Gaumensegel der »Schnarchgenerator«, wie Kühnel erklärt: Bei Schnarchern flattert es »wie ein Segel im Wind« im Sog der Atemluft und erzeugt dadurch die lautstarken Geräusche.

Dass Männer häufiger betroffen sind, liegt vor allem an den Hormonen. Männliche Hormone bewirken, dass die Muskulatur nachts erschlafft, so dass die Geräusche leichter entstehen, wie Joachim Maurer von der Universitäts-HNO-Klinik Mannheim erklärt. Bei Frauen nimmt das »Schnarchrisiko« in der zweiten Lebenshälfte stark zu, weil der Einfluss männlicher Geschlechtshormone mit den Wechseljahren wächst. Außerdem spielt bei Männern das typische Fettverteilungsmuster eine Rolle: »Sie nehmen vor allem in der oberen Körperhälfte zu und lagern an Bauch und Hals Fett ein«, sagt Maurer. Dadurch verengen sich auch die Atemwege.

Schnarchen kann zwar den Partner stören, aus medizinischer Sicht ist es aber harmlos. Gefährlich wird es, wenn es im Schlaf zu Atemaussetzern kommt: Dadurch wird das Blut schlechter mit Sauerstoff versorgt, so dass der Körper Alarm schlägt und sich sozusagen selbst weckt. Der Schlaf ist somit weniger erholsam. Die so genannte Schlafapnoe kann nicht nur dazu führen, dass die Betroffenen tagsüber in einen Sekundenschlaf fallen, sondern erhöht auch das Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkte und Schlaganfälle. Alarmiert sein sollten Schnarcher Kühnel zufolge vor allem dann, wenn sie sich nicht erholt fühlen, obwohl sie genauso viel schlafen wie früher.

Was aber hilft gegen Schnarchen? Bringen Anti-Schnarch-Tropfen, Pflaster, Akupressurfingerringe oder elektronischen Sensoren etwas, die in Apotheken oder übers Internet angeboten werden? »Das ist reine Geldmacherei«, lautet Maurers vernichtendes Urteil. »Mag sein, dass etwas davon im Einzelfall hilft. Das weiß man aber nicht vorher.«

Wer nur in Rückenlage schnarcht, kann sie vermeiden, indem er eine spezielle Weste oder einen Rucksack trägt. Einen weiteren wenig beliebten Therapievorschlag hat Kühnel parat: »Stark übergewichtigen Schnarchern hilft es oft sehr, wenn sie ihr Gewicht reduzieren«, sagt er. Daneben sind in vielen Fällen Zahnschienen hilfreich, mit denen der Unterkiefer nach vorne geschoben und der Rachen geöffnet wird. Sie sind aber nicht für jeden geeignet und sollten von einem Spezialisten angepasst werden - das kann, je nach Modell, Hunderte von Euro kosten. Günstige Allround-Spangen zum Selbstanpassen, wie sie übers Internet vertrieben werden, seien oft wirkungslos, warnt Maurer.

Bei einer Operation sind Ärzte heute zurückhaltend: »Wenn jemand nur schnarcht, sonst aber gesund ist, ist es fraglich, ob man ihm die Risiken einer Operation zumuten darf«, sagt Kühnel. Wenn der Patient operiert wird, sollten minimal-invasive Verfahren angewandt werden, die wenig Risiken haben, betont er. Zum Beispiel lässt sich der Weichgaumen durch ein Implantat versteifen, so dass er weniger flattert. Dadurch bessere sich das Schnarchen in der Regel. »Es gibt aber keine Methode mit Garantie«, sagt Kühnel. »Und auch wenn man Erfolg hat, verschwindet das Schnarchen meistens nicht ganz.«

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