Bei Ostwind fällt die Übung aus

Feuerwehrschule beklagt maroden Standort/Umzug nach Tegel unsicher

  • Jutta Schütz
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist das erste Mal: Dick verpackt in Schutzanzügen, mit Helm, Handschuhen und Atemgerät sitzen die Feuerwehr-Azubis dicht an dicht auf dem Boden des Brandcontainers. Der steht auf einem Hof der Berliner Feuerwehrschule im Norden der Hauptstadt und ist deren ganzer Stolz. Vorn in dem Stahlbehälter brennen schon die aufgestapelten Holzpaletten. »Wir fangen mit zärtlichen 800 Grad an« sagt Ausbilder Jens Kresin (41). Das ist die Temperatur an der Decke des Containers, unten am Boden soll es zwischen 50 bis 70 Grad warm sein. Die schweren Türen werden zugekracht. Drinnen sind sie jetzt allein mit Rauch, Hitze und Feuer.

Plötzlich dringen dicke Schwaden aus zwei Klappen nach draußen und vernebeln das Gelände. Wie sich ein Brand entwickelt, erleben die Nachwuchs-Feuerwehrmänner bei dieser Übung. Ober-Brandmeister Kresin grinst: »Glück gehabt mit dem Westwind.« Weht es aus anderer Richtung, bleibt die Anlage kalt. Denn in Sichtweite wurden schmucke Häuschen hochgezogen, keiner möchte Rußflocken auf dem Fensterbrett oder der Wäsche haben.

Auf dem 25 Hektar großen früheren Kasernengelände aus den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts werden in Schulzendorf jährlich rund 5000 Einsatzkräfte aus- sowie fortgebildet. Zur deutschlandweit größten Feuerwehr in Berlin gehören etwa 3500 Berufsfeuerwehrleute und rund 1500 freiwillige, ehrenamtliche Kräfte. Nach Moskau, London und Paris ist die Feuerwehr in der deutschen Hauptstadt nach eigener Darstellung die viertgrößte in Europa.

Doch die Ausbildungsbedingungen halten wohl nicht mal einem Vergleich der Bundesländer Stand. Längst sei es etwa in Hessen, Nordrhein-Westfalen oder auch in Brandenburg moderner, wissen die Berliner. Und noch einen Vergleich haben die einsatzerfahrenen Männer parat: »Wir sind die größte und älteste Feuerwehr, haben die meisten Einsätze und bundesweit die schlechteste Bezahlung.« Zwar seien im klammen Berlin zuletzt die Gehälter von Feuerwehrleuten erhöht worden, sagt Sven Gerling von der Pressestelle. Doch bei einem Feuerwehrmann im mittleren Dienst könnten beispielsweise zwischen München und Berlin schon mal 400 Euro klaffen.

Den Brandcontainer - im Behördendeutsch Rauchgasdurchzündungsanlage - hat die Berliner Schule erst seit zwei Jahren. Bis dahin hieß es immer nur: Stellen Sie sich mal vor, es brennt, erzählen Ausbilder mit einer Spur von Sarkasmus. Und nun gibt es trotz des enormen Fortschritts Unterricht nach Windrichtung. Sollten Anwohner belästigt werden, könne das Umweltamt den Betrieb des Containers wieder untersagen, haben sie hier im Hinterkopf. »Wir improvisieren an allen Ecken und Enden jeden Tag«, sagt Kresin. Das Löschen mit Schaum kann hier gleich gar nicht trainiert werden. Weil die Chemikalien nicht ordnungsgemäß aufgefangen werden könnten, berichtet der Vizeleiter der Feuerwehrschule, Wolf-Joachim Kühl. Wegen defekter Ölabscheider müssten auch Fahrzeuge woanders gereinigt werden. Doch die Mängelliste scheint nach oben offen. Auf Hof 1 steht ein meterhohes Gerüst, das wegen Einsturz- und akuter Unfallgefahr gesperrt ist. Und in der Halle für die Rettungsassistenten hängt der praktische Unterricht von den Außentemperaturen ab.

Noch vor kurzem war ein Ende des maroden Dilemmas für die Hauptstadt-Feuerwehr absehbar. Doch mit der geplatzten Eröffnung des Hauptstadtflughafens sind auch die Hoffnungen vieler Feuerwehrleute zerstoben. Der Umzug auf den dann stillgelegten Flughafen Tegel war schon ernsthaft im Gespräch - mit nahezu perfekten Bedingungen. Eigens für den neuen Standort wurde bereits die neue Feuerwehr- und Rettungsdienstakademie gegründet.

Doch nun ist wieder alles offen. An der Feuer- und Rettungsdienstschule, die offiziell Serviceeinheit Aus- und Fortbildung der Feuerwehr heißt, befürchten viele eine weitere Hängepartie.

Die Innenverwaltung von Senator Frank Henkel (CDU) bekräftigt indes ihr Ja zu einem Umzug. Unabhängig davon, wann der Flughafen Tegel frei wird, erarbeite die BIM Vorschläge für die spätere Nutzung in Tegel. Die Pläne für die künftige Akademie sollen vorangetrieben werden. Ob am alten Standort an der Ruppiner Chaussee noch investiert werden soll, werde ebenfalls geprüft, ließ der Innensenator als Dienstherr der Feuerwehr mitteilen. dpa

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