Das Prinzip Spiel
Regisseur Leander Haußmann und Musiker Sven Regener über ihren Film »Hai-Alarm am Müggelsee«
nd: In Ihrem Film »Hai-Alarm am Müggelsee« verschwimmen die Grenzen zwischen nicht gekonnt und so gewollt. Steckt dahinter Methode?
Leander Haußmann: Bei uns ist alles sehr spielerisch. Wir haben uns in ein Zimmer mit Spielsachen eingesperrt und diese benutzen wir auch. Und was wir nicht haben, malen wir uns einfach.
Ihr Film gewinnt seinen besonderen Charme durch eine ästhetische Überhöhung. Wäre es langweilig, die Realität darzustellen?
Sven Regener: Uns ging es nicht darum, zu erzählen, wie die Menschen in Berlin-Friedrichshagen wirklich leben. Wir wollten vielmehr ein ideales Friedrichshagen schaffen, was aber mit all den Kulissen, die wir dort real vorgefunden haben, perfekt zusammenpasst. Aber durch die Kunst bekommt es eine poetische Aura. Bei uns darf die Straßenbahn nicht mehr über den Müggelsee-Damm fahren, weil Hai-Alarm ist. Als ob der Hai wirklich draußen auf den Straßenbahnschienen rumlaufen würde. Das ist großartiger Quatsch mit poetischer Kraft.
Sie bezeichnen Ihr Werk als »Alarm-Film«. Was zeichnet dieses bislang unbekannte Genre aus?
Haußmann: Dass der Alarm wichtiger ist als die Katastrophe. Der Alarm ist selbst die Katastrophe.
Gibt es eine Verbindung zwischen dem Musikmachen und dem Filmemachen?
Regener: Ich glaube, der Ansatz beim Punk war ein ähnlicher. Wir hatten in den 1970er Jahren eine Rockmusik, die sehr kompliziert und überproduziert geworden war. Man musste viel können und wissen und Geld haben, um das machen zu können. Plötzlich kamen diese Freaks um die Ecke und sagten: »Drei Akkorde reichen doch!« Und alle sagten: »O wie erfrischend. Endlich passiert etwas Neues!«. Es ist nicht gesagt, dass es auch bei uns so ausgeht, aber der künstlerische Ansatz ist derselbe.
Steht bei Ihnen der künstlerische Anspruch über dem Erfolg?
Haußmann: Als Künstler will man immer etwas schaffen, das eine eigene Handschrift trägt. Das ist oft gefährlich, weil wir in einer Zeit leben, die immer mehr auf Mittelmaß baut. Bestimmte Institutionen sind voll davon. Gerade Künstler versuchen, auf den letzten Metern ihrer Laufbahn ein bestimmtes Mittelmaß zu halten, denn bis hierhin haben sie es ja geschafft.
Wie schreibt man eigentlich gemeinsam ein Drehbuch?
Haußmann: Sven sitzt an der Tastatur, weil er Autor ist. Er ist sozusagen federführend. Ich bin Regisseur, ich werfe Schauspieler in Situationen und äußere Wünsche. Zum Beispiel den nach einer Love-Interest-Szene. Weil ich weiß, dass Sven entsprechende Szenen hasst. Dann werden die Pingpong-Bälle geworfen, und wir machen die vielleicht langweiligste, auffälligste oder sinnloseste Love-Interest-Szene überhaupt.
Welches Gesellschaftsmodell entspricht dem Filmemachen?
Regener: In unserem Fall die Republik. Die Diktatur mussten wir nicht ausrufen. Wie die beiden Konsuln im alten Rom hatten wir beide uneingeschränkte Befehlsgewalt. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich nicht der Co-Regisseur bin, sondern wir sind beide »der Regisseur«.
Interview: Olaf Neumann
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