Frauen gelten wieder als Ware
Interview mit der feministischen Aktivistin Yanar Mohammed
nd: Sie sind Feministin und Aktivistin für die Rechte der Frauen. Ende des Jahres 2003 sind Sie nach Irak zurückgekehrt. Wie war die Lage damals?
Mohammad: Es herrschte allgemeine Verwirrung darüber, was die Zukunft bringen würde. Nur wenige Monate später tauchten die ersten Berichte auf, dass Frauen entführt und gezwungen wurden, in der Sexindustrie zu arbeiten. Auf der anderen Seite zwangen lokale Milizionäre die Frauen, den Schleier anzulegen - damit wurden die Iraker im neuen »befreiten Irak« konfrontiert.
Das irakische Parlament hat ein Quorum von 25 Prozent für Frauen. Das gibt es nicht mal in westlichen Staaten.
Durch das Quorum kamen vor allem islamistische Frauen ins Parlament, die auf den Listen von religiösen Parteien kandidiert hatten. Ich kritisiere aber nicht das Quorum.
Was sind heute die größten Probleme für die Frauen?
Das größte Problem ist, dass die Religion über Kultur und Familie dominiert. Auch das patriarchal geprägte soziale Stammeswesen ist eine große Gefahr für die Frauen.
Sie wurden in Bagdad geboren und sind dort aufgewachsen. Wie hat sich das Leben für Frauen in Irak verändert?
Das Leben hat sich kaum vorstellbar verschlechtert, Kleidung, Bildung, Arbeit - die gesamte soziale Akzeptanz von Frauen hat sich zum Negativen verändert. Dafür ist die religiöse Elite verantwortlich, die mit Medien, über Moscheen, in den Schulen und an Arbeitsplätzen die Gesellschaft beeinflusst.
Was sind die drei wichtigsten Dinge, die sich für die Frauen in Irak verändern müssen?
Die Gesetze für Polygamie, genauer gesagt Artikel 41 der Verfassung, müssen sofort aufgehoben werden. Das Gesetz über die Erbfolge muss reformiert werden, keine moderne Frau kann akzeptieren, dass sie weniger wert ist als Männer. Und die Stämme dürfen Frauen nicht mehr für Hochzeiten wie eine Ware behandeln.
Fragen: Karin Leukefeld
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