Beten unterm Fernsehturm
Am Rand der Treppe zieht er seine Jacke aus, wischt den Schnee mit dem Fuß beiseite und legt sie auf die nassen Fließen. „Gesegnet sei dein Name“, murmelt er mit Blick auf das geschlossene Eis-Café. Ein älteres Liebespaar läuft vorbei, bleibt in einiger Entfernung stehen. Sie greift seine Hand und zeigt auf irgendetwas im Schnee unsichtbares jenseits der B5. Er verschränkt seine Hände vor der Brust. Vom „Herrscher aller Tage“ müsste er jetzt reden, ob sich sein Mund bewegt bleibt hinterm Vollbart verborgen. Mit den Händen auf den Knien beugt er sich nach unten. Seine Haare streichen aus Versehen den Schnee vom Geländer. Zwei asiatische Touristen halten die Kamera auf die Aussichtskugel des Fernsehturmes und ziehen mit nassem Objektiv weiter. Die Straßenbahn klingelt, eine Gruppe Kinder lacht. Er berührt mit der Stirn den matschigen Boden und preist Mohammad und Abraham. Glaubt man seinem Blick, liegt Mekka hinterm Alex. Auf der andere Seite der Glasfassade fließt der Schweiß in Fahrradhosen und Muskelshirts. Er blickt zum linken und rechten Treppengeländer: “Friede sei mit euch“. Islam in der Mitte von Berlin und keinen interessiert es. Perfekt!
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