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Keine Minuspunkte für linke Unternehmer
Regionaler Wirtschaftsverband Owus trifft sich morgen zur Jahresmitgliederversammlung
Unter kapitalistischen Bedingungen eine Firma leiten und sich dabei wie ein Sozialist benehmen - geht das überhaupt, und wenn ja, wie funktioniert das? Mit der Orientierung von Unternehmen aufs Gemeinwohl befasst sich am Freitag der Offene Wirtschaftsverband von kleinen und mittleren Unternehmen, Freiberuflern und Selbstständigen (Owus).
1994 gegründet, steht der Owus den Sozialisten nahe. Viele Mitglieder gehören der Linkspartei an oder sympathisieren zumindest mit ihr. 78 aktive Mitglieder zählt der Verband in Berlin und Brandenburg. Sie treffen sich morgen um 16 Uhr zu ihrer Jahresversammlung im Potsdamer Bürgerhaus am Schlaatz, Schilfhof 28.
Zwei Mitglieder ließen sich aufwendig eine Gemeinwohlbilanz erstellen, darunter die A&P Steuerberatungs mbH, berichtet der Geschäftsführende Owus-Vorstand Robert Gadegast. 1000 Punkte sind dabei zu erreichen. A&P schaffte 427. Pluspunkte gibt es etwa für ökologisch bewusstes Handeln und innerbetriebliche Demokratie. Wer dagegen Menschenrechte verletzt, Waffen produziert, Atomstrom erzeugt, Dumpingpreise anbietet, Arbeitsplätze abbaut, Tochterfirmen in Steueroasen hat, einen Betriebsrat verhindert oder Frauen schlechter bezahlt als Männer, der bekommt Punkte abgezogen. Das Positive zuerst: Von 2500 möglichen Minuspunkten musste A&P keinen einzigen verbuchen. Und bei der Bedingung, dass Gewinne nicht an Personen ausgeschüttet werden sollten, die mit dem Unternehmen nichts zu tun haben, erhielt das Steuerberatungsbüro die volle Zahl der Pluspunkte.
Bei der gerechten Verteilung der Einkommen strich A&P immerhin 33 von 60 Pluspunkten ein. Gewiss würden viele deutsche Unternehmen und besonders die großen Konzerne hier einen erheblich schlechteren Wert erzielen. Der A&P-Chef sei trotzdem erschrocken gewesen und habe mit einer Anpassung der Löhne reagiert, erzählt Gadegast. Der 65-jährige hatte selbst viele Jahre eine Baufirma mit vier angestellten Trockenbauern und Fliesenlegern. Inzwischen übergab Robert Gadegast die Firma an seinen Sohn und hilft nur noch bei der Buchhaltung mit.
Die Owus-Mitglieder in Berlin und Brandenburg arbeiten fast alle allein oder mit Angehörigen, allenfalls mit ein oder zwei Angestellten. Nur wenige haben mehr Beschäftigte, und bloß eine Optikfirma kratzt an der Grenze für ein mittelständisches Unternehmen. Es handelt sich also um Kapitalisten, die sich vor allem selbst ausbeuten und keine soziale Absicherung genießen. Dies soll auch Thema sein bei der Jahresversammlung. Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von nur 1100 Euro für die Krankenkasse 300 bis 400 Euro berappen zu müssen, das falle den kleinen Unternehmern schwer, rechnet Gadegast vor. Ein ähnliches Problem sei dann die Altersvorsorge. Das linke Krankenkassenmodell einer Bürgerversicherung für alle könnte ein Ausweg sein, bestätigt der 65-Jährige. Eine Lösung müsste auch für die Renten gefunden werden.
Leider beschäftige sich die LINKE viel zu wenig mit den Problemen der kleinen Unternehmer, bedauert Gadegast. Das sei schade, weil sich die Partei damit auch die Chance vergebe, aus diesem Lager mehr Stimmen zu erhalten. Es werde nicht differenziert zwischen großen Konzernen und kleinen Unternehmern, meint Gadegast nach Lektüre des Programms für die nächste Bundestagswahl. »Wir wirken da wie Monster«, stellt der frühere Kleinunternehmer fest. In Kreisen der Linkspartei sah und sieht er sich wegen seiner Tätigkeit immer wieder Vorurteilen ausgesetzt - vor 15 Jahren sogar noch mehr als heute. In diese Linie passt es hinein, was dem Owus wiederfuhr, als der Verband Ende der 1990er Jahre einmal Wahlprüfsteine erstellte und alle im Bundestag vertretenen Parteien um Antworten bat. CDU und FDP erfüllten diesen Wunsch, ausgerechnet die PDS jedoch nicht, erinnert sich Gadegast. Aber er will nicht nachtragend sein. Es gibt nun neue Wahlprüfsteine, die bald verschickt werden. Diesmal werde die LINKE vielleicht mitmachen, hofft der Owus-Mann.
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