Himmelslärm stört Kirchengemeinden

Widerstand in Rhein-Main-Region wächst

  • Robert Luchs, Mainz
  • Lesedauer: 3 Min.
Waren es bisher vorwiegend einzelne Gemeinden, Abgeordnete, zornige Bürger oder mehr oder weniger streitbare Bürgerinitiativen, fordern jetzt mehrere große Städte der Rhein-Main-Region wirksame Maßnahmen gegen den zunehmenden Lärm. Auch mehrere Kirchengemeinden sind mit ihrer Geduld am Ende.

Die evangelischen Kirchenvorstände im Mainzer Stadtteil Marienborn und in der hessischen Stadt Flörsheim (Main-Taunus-Kreis) wollen entschiedener ihr Recht auf freie Religionsausübung pochen. Der Fluglärm ist nicht nur hier zu einer schwer zu ertragenden Belastung geworden. Ein Kirchenrechtsexperte soll nun feststellen, ob Trauerfeiern bei Beerdigungen oder andere religiöse Rituale überhaupt noch Sinn machen, wenn Jets in kurzen Abständen über die Trauergemeinde donnern und die Worte des Pfarrers im Lärm untergehen. Gottesdienste, Taufen und Beisetzungen gehören zu dem durch Grundgesetz Artikel 4 garantierten Recht auf uneingeschränkte Religionsausübung. »Das Thema Flug- und Bahnlärm wird auf dem Evangelischen Kirchentag in Hamburg eine Rolle spielen«, sagt Pfarrer Harald Jaensch aus Marienborn. Auch in anderen Gemeinden wollen die Menschen den Lärm nicht mehr widerstandslos hinnehmen.

Protest wird zu Widerstand

Die umtriebige Bürgerinitiative Flörsheim-Hochheim, die nach Eröffnung der Nordwestlandebahn in Frankfurt am Main gegründet wurde, will ihren Protest verschärfen. Neben den Montagsdemonstrationen im Flughafenterminal sollen bald auch andere Widerstandsformen erprobt werden. Sprecherin Carola Gottas hat bereits mit Aktivisten aus den Reihen der Atomkraftgegner und von Stuttgart 21 Kontakt aufgenommen. Ihr Ziel: »Wir wollen unbequemer werden.« Nun gehe es darum auszuloten, wie weit ziviler Ungehorsam gehen kann, ohne dass strafrechtliche Folgen zu befürchten sind. Auf jeden Fall werde der Protest vor der hessischen Landtagswahl im September zunehmen, sagt Gottas. »Aus Protest wird Widerstand« lautet denn auch der Titel eines Workshops am 13. April in Flörsheim. Viele Bürger, so Gottas, würden durch das Thema Fluglärm politisiert.

Mehr Druck aus der Politik

Die Grünen in Hessen sehen sich durch ein Gutachten in ihrem Bemühen um eine Nachtruhe am Frankfurter Flughafen von 22 bis 6 Uhr gestärkt. Der Wiesbadener Parteivorsitzende Tarek Al-Wazir sagte, in einigen Bereichen des Flughafens seien die Lärmwerte schon jetzt nicht weit von dem entfernt, was für das Jahr 2020 prognostiziert wird. Würden Grenzwerte überschritten, sei das auf einem Planfeststellungsbeschluss beruhende Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr nicht mehr gültig. Der Grünenpolitiker empfahl der Flughafenbetreiberin Fraport, von sich aus die Ausweitung des Nachtflugverbots auf 6 Uhr zu beantragen, und forderte zudem eine verbindliche Obergrenze von Lärm und Flugbewegungen am Frankfurter Flughafen.

Der Druck der Basis ist inzwischen so stark geworden, dass sich vier SPD-Oberbürgermeister in der Region zum gemeinsamen Handeln gezwungen sehen und ebenfalls die Ausweitung des Nachtflugverbots fordern und dazu die Einführung einer Lärmobergrenze. Zudem bringen sie einen »Lärmthaler« ins Gespräch, mit dem Lärmschutzmaßnahmen finanziert werden sollen. Die Abgabe solle nach den Vorstellungen der OB pro Passagier und pro 100 Kilogramm Fracht erhoben werden. Außerdem solle die Luftverkehrssteuer, die nur in die Kassen des Bundes fließt, durch lärmabhängige Gebühren ersetzt werden.

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