Abgehängt in Mölln
Ein Behindertenheim in Schleswig-Holstein hat Ärger mit den Behörden - wegen eines Hinweisschildes
Mölln in Schleswig-Holstein gilt als Till-Eulenspiegel-Stadt, doch an einen Schelmenstreich mag man im Don Bosco-Haus nicht glauben - zu ernst ist der Streit um ein Hinweisschild mit dem Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) in Lübeck. Dennoch scheint zumindest Schilda grüßen zu lassen, wenn der etwas abgelegenen Behinderteneinrichtung bei Mölln vorgeschrieben wird, dass sie ein an der Landesstraße 218 angebrachtes Anfahrtsschild aus rechtlichen Gründen zu entfernen hat.
Der Vorgang wurde zuletzt sogar zu einem Politikum und landete zur Prüfung im Verkehrsministerium des Landes. Dort wollte man die untergebene LBV-Behörde jedoch nicht bloßstellen und unterstrich noch einmal die Rechtmäßigkeit der Forderung nach Entfernen des bisherigen Hinweisschildes. Aus LBV-Sicht ist das bisherige Schild eine nicht zulässige, überdimensionierte Werbetafel, die an dem fraglichen Abzweig außerhalb des Stadtgebietes die Verkehrssicherheit beeinträchtige. Das Ministerium hat den LBV nun angewiesen, das Streitobjekt an der L 218 zu entfernen. Man machte allerdings zugleich deutlich, dass es möglich wäre, unterhalb des regulären Straßennamenschildes »Pater-Lenner-Weg« eine klein, nicht amtliche Wegweisung in Rücksprache mit der Stadt Mölln anzubringen.
Im Don Bosco-Haus, in dem mehrfach- und schwerstbehinderte Kinder betreut werden, stößt das behördliche Ansinnen auf Unverständnis. Es gab bereits eine Protestaktion, bei der 120 Bewohner, Mitarbeiter, Angehörige und Fördervereinsmitglieder lautstark demonstrierten und mit Plakaten und Transparenten ihren Unmut kundtaten. 30 Jahre lang hatte sich niemand an dem bisherigen Hinweisschild gestört, jetzt wird so getan, als sei ausgerechnet die Abzweigung ein vermeintlicher Unfallschwerpunkt. Petra Harms, Vorsitzende des Fördervereins der gemeinnützigen Einrichtung, fürchtet, dass Besucher und Lieferanten ohne das Schild auch im Zeitalter von Navigationsgeräten das Haus im Wald schlechter finden. Die Empörung im Don Bosco-Haus ist jedenfalls groß, man möchte nicht gesellschaftlich abgehängt werden. »Früher eingesperrt, heute versteckt - das ist sicher keine Inklusion«, sagt Harms zornig.
SPD-Bürgermeister Jan Wiegels aus Mölln hat sich in dem Konflikt bisher weggeduckt, und auch von den politischen Parteien sind - bis auf ein paar warme, verständnisvolle Worte des SPD-Landtagsabgeordneten Peter Eichstädt - keine Reaktionen erfolgt. Petra Harms stellt den Vorgang in Relation zu anderen Betrieben und Unternehmen in Mölln, indem sie darauf verweist, dass das Don Bosco-Haus einer der zahlenmäßig größten Arbeitgeber der Kleinstadt sei. Sie weiß, dass im öffentlichen Diskurs überall sonst der Hinweis auf die Arbeitsplätze quasi als »Totschlagsargument« angebracht wird.
Ralf Röger, Rechtsprofessor aus der nächstgelegenen Kreisstadt Ratzeburg, vertritt eine andere juristische Auffassung als die Behörden. Das von ihnen als bindend herangeführte Straßen- und Wegegesetz lasse sehr wohl Ausnahmen zu, etwa wenn es um unbeabsichtigte Härten gehe oder öffentliche Belange und das Allgemeinwohl betroffen seien.
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