Nadelstiche gegen Ferienwohnungen
Vermietung an Touristen soll eingedämmt werden
Nach monatelangem Gezerre zwischen den Koalitionsfraktionen SPD und CDU will der Senat demnächst ein Gesetz auf den Weg bringen, durch das die gewerbliche Nutzung von Mietwohnungen in Stadtquartieren mit besonders angespannter Wohnraumversorgung unterbunden werden soll. Für Ferienwohnungen soll es allerdings eine Übergangsfrist von zwei Jahren geben. Im Februar 2012 ergab eine Erhebung der Berliner Mietergemeinschaft, dass es berlinweit mindestens 12 000 als Touristenunterkünfte genutzte Wohnobjekte gibt. Deren Zahl dürfte seitdem weiter gewachsen sein, und ohnehin ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.
Zwei Berliner Bezirke haben bereits begonnen, gegen die Vertreibung von Mietern durch Zweckentfremdung und Luxusmodernisierung vorzugehen. Als erstes hatte Pankow für jene Teile des Bezirks, für die eine soziale Erhaltungssatzung (Milieuschutz) laut § 172 Baugesetzbuch besteht, im Januar eine Verordnung gegen den Betrieb von Ferienwohnungen erlassen. Demnach stellt die »gewerbliche Überlassung von Wohnraum zu Wohnzwecken bis zu einem Zeitraum von 28 Tagen (z. B. Ferienwohnungen) eine Nutzungsänderung im Sinne des Erhaltungsrechts dar und ist nicht genehmigungsfähig«.
Auch mietpreistreibende Luxusmodernisierungen sollen in Pankow eingeschränkt werden. Dazu gehört etwa der Einbau eines zweiten Bades/ Dusche oder WCs in Wohnungen mit vier oder weniger Wohnräumen. Der für Stadtentwicklung zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Bü 90/Grüne) dämpft allerdings zu hohe Erwartungen auf schnelle Ergebnisse. Man habe begonnen, die Betreiber von Ferienwohnungen über den Beschluss zu informieren. Diese hätten dann ein Recht auf Widerspruch und Anhörung. Wenn der Bezirk dann die Beendigung der Zweckentfremdung verfüge, stünde den Betroffenen noch der Klageweg vor dem Verwaltungsgericht offen, so Kirchner. Rechtlich sehe man sich aber auf der sicheren Seite und entsprechenden Verfahren gelassen entgegen. Die künftige Zweckentfremdung von Wohnraum als Feriendomizile könne aber bereits jetzt verhindert werden. Die Verordnung habe für »erhebliche Verunsicherung« bei bereits aktiven und Möchtegernbetreibern derartiger Objekte gesorgt. Dies zeige, so Kirchner, dass man auf dem richtigen Weg sei.
Bislang gelten in Pankow für elf Quartiere soziale Erhaltungssatzungen. Für weitere Bereiche wurden bereits Prüfaufträge vergeben, wie z.B. für das Gebiet um die Wollankstraße und Wohngebiete südlich des S-Bahn-Rings. Erforderlich für den Erlass derartiger Satzungen sind Gutachten zur Ermittlung der Schutzbedürftigkeit der städtebaulichen Eigenart.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg folgt dem »Pankower Weg«. Ein entsprechender Beschluss zur »Aktualisierung der Prüfkriterien« in sozialen Erhaltungsgebieten ist nach Veröffentlichung im Amtsblatt des Landes Ende März in Kraft getreten. In dem Bezirk gibt es derzeit acht betroffene Quartiere, darunter den Boxhagener Platz, den Chamissoplatz, die Graefestraße und die Luisenstadt.
Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Bü90/Grüne) verweist zur Begründung auf die Gefährdung der sozialen Vielfalt der Haushalte innerhalb der Stadtquartiere: »Die Umnutzung einer regulären Mietwohnung als Ferienwohnung verschärft diese Situation und trägt damit auch zur sozialen Segregation bei«. Schulz und Kirchner sind sich bewusst, dass die Möglichkeiten der Bezirke, auf diese Weise Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse einzudämmen, recht beschränkt sind. Wesentlich wirksamer wäre eine Verordnung auf Landesebene, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Erhaltungsgebieten unter Genehmigungsvorbehalt stellt, betont der Pankower Stadtrat. Doch die ist angesichts des regierenden Personals in der Hauptstadt ebenso wenig in Sicht wie die Umsetzung des Artikels 28 der Berliner Verfassung. Dort heißt es »Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen«. Auf dieser Grundlage könnten Maßnahmen ergriffen werden, die weit über Restriktionen in Gebieten mit bereits bestehenden Erhaltungssatzungen hinausgingen.
Auch weigert sich der Senat, für die gesamte Stadt eine angespannte Wohnraumversorgung festzustellen. Dies böte nach Einschätzung der stadtentwicklungspolitischen Sprecherin der Linkspartei im Abgeordnetenhaus, Katrin Lompscher, die Möglichkeit, auch ohne bundesweite Mietrechtsänderungen auf Grundlage des Wirtschaftsstrafgesetzbuchs (WiStG) gegen extreme Mietsprünge bei Neuvermietungen vorgehen zu können.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.