Freie Sicht auf Zebrastreifen
Sicher sind Überwege nur, wenn sie richtig angelegt sind
Berliner Fußgängerüberwege sind sicher, im Prinzip jedenfalls. Trotzdem ereigneten sich an den rund 400 Zebrastreifen in der Stadt zwischen 2006 und 2011 insgesamt 232 Unfälle, bei denen Menschen verletzt wurden. Das waren etwa 1,7 Prozent aller Fußgängerunfälle mit Personenschaden in dieser Zeit. »Obwohl an diesen Stellen viele Menschen die Straße überqueren, kommt es nur sehr selten zu Unfällen«, sagt Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer (UDV), die die Situation an Fußgängerüberwegen untersucht hat.
Voraussetzung ist allerdings, dass die Überwege vorschriftsmäßig angelegt sind. Kam es an 252 von ihnen in den vergangenen sechs Jahren zu gar keinem Unfall, waren es an rund 40 immerhin mindestens zwei, bei denen Passanten verletzt wurden. »Auf neun Prozent der Überwege konzentriert sich die Hälfte der Unfälle mit Personenschaden«, so Brockmann. An diesen Anlagen habe die UDV fast immer deutliche Mängel festgestellt. Die häufigsten sind: Schlechte Beleuchtung, unzureichende Markierung und vor allem fehlende Sichtbeziehungen. Brockmann: »Das A und O sind gute Erkennbarkeit der Zebrastreifen und freie Sicht auf die Warteflächen.« Besonders sicher seien Überwege mit Mittelinseln.
Als gefährlichsten Überweg ermittelten die Unfallforscher den an der Adalbertstraße in Kreuzberg kurz vor dem Kottbusser Tor, wo es in den sechs Jahren zu sieben Unfällen mit sieben Verletzten kam. Hier ist die Sicht auf den Überweg durch die Überbauung der Straße eingeschränkt. Am Eichhorster Weg in Wittenau krachte es sechs Mal, ebenso an der Rennbahnstraße in Weißensee, wo sich der einzige tödliche Unfall ereignete. An beiden Überwegen sind es parkende Pkw sowie Haltestellen, die Autofahrern die Sicht auf wartende Fußgänger nehmen.
An der Allee der Kosmonauten in Marzahn gab es fünf Unfälle. Dort müssen Fußgänger drei Fahrspuren überqueren. Für Autofahrer kann die Sicht auf Fußgänger durch Fahrzeuge auf den anderen Spuren verdeckt sein. »An mehrspurigen Straßen sollten Fußgängerüberwege tabu sein«, so Brockmann. Seit 2001 seien sie dort auch gar nicht mehr zulässig.
Der Unfallexperte hält auch die auffälligen Berliner Überwege für optimierbar, eventuell sollte an ihnen auch Tempo 30 eingerichtet werden. An der Allee der Kosmonauten empfiehlt er den Ersatz durch eine Ampelanlage, auch wenn sie leicht eine sechsstellige Summe und damit mindestens das Vierfache eines Überwegs kosten könnte.
Kommt es zum Unfall an einem Fußgängerüberweg, sind fast immer die Kraftfahrer schuld - zu 92 Prozent. »Sie müssen vorsichtig heranfahren und den Passanten den Vortritt lassen«, so Brockmann. Bei 70 Prozent der Unfälle waren die Fahrer mit Tempo 50 unterwegs. Handelte es sich bei den Unfallverursachern um Fußgänger, waren es oft Betrunkene, bei denen nicht ersichtlich war, in welche Richtung sie laufen.
Bundesweit kam es 2011 zu 5362 Unfällen an Zebrastreifen, 31 Fußgänger wurden getötet. Der Auto Club Europa (ACE) will mit einer eigenen Aktion die Überwege unter die Lupe nehmen. »Es wäre fatal, wenn hier ein Sicherheits-Versprechen abgegeben wird, das nicht gehalten werden kann«, so ACE-Chef Wolfgang Rose.
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