Neue Quelle des Monopolprofits

51 große Betriebe von Energieabgabe befreit, Kosten bleiben an Bürgern hängen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Im vergangenen Jahr haben sich 51 brandenburgische Unternehmen von der zusätzlichen Energiesteuer, der sogenannten EEG-Umlage, befreien lassen. Die Liste liest sich wie eine Komplettaufstellung aller größeren Firmen des Bundeslandes. Die Energiewende haben demzufolge Privathaushalte und kleine Unternehmen zu bezahlen.

Im Fach »Politische Ökonomie des Kapitalismus« mussten Studenten zu DDR-Zeiten unter anderem auch die »Quellen des Monopolprofits« pauken. Keine Ahnung konnten die Gestalter der damaligen Lehrpläne davon haben, dass in künftigen Jahrzehnten auch einmal die »Befreiung von der EEG-Umlage« hinzuzuzählen sein würde.

Die meisten größeren Unternehmen des Landes haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, als »energieintensives Unternehmen« zu gelten und sich von der Zusatzsteuer befreien zu lassen. Demnach ist auch in Brandenburg entschieden, wer für die Energiewende aufzukommen hat: Es sind Privathaushalte, Handwerker, Bauern, Gastwirte und Hoteliers. Und wenn Handwerk, Landwirtschaft und Tourismusbranche die höheren Strompreise auf den Preis ihrer Produkte und Dienstleistungen abwälzen, dann zahlt der Endverbraucher auch diese Zeche.

Mittels der EEG-Umlage sollte Ökostrom bezuschusst und die technische Grundausstattung der Energiewende weg von der Atomkraft und weg von der Kohle gefördert werden. So legte es seinerzeit eine rot-grüne Bundesregierung fest. Doch sah ihr Gesetz ein Schlupfloch vor, das sich inzwischen zu einem Scheunentor ausgeweitet hat. Energieintensive Unternehmen dürfen sich von der Steuer befreien lassen. In der Realität kann man nun über den Daumen gepeilt feststellen, dass Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten als energieintensiv anzusehen sind. Wer weniger Angestellte hat, gehört nicht dazu.

Von der EEG-Abgabe in Brandenburg befreit sind beispielsweise die Stahlwerke in Hennigsdorf und in Brandenburg/Havel, die Zementhersteller, die PCK-Raffinerie in Schwedt und der Potsdamer Verkehrsbetrieb. Eine besondere Pointe: Natürlich sind bedeutende Teile der Energiewirtschaft von der Energiesteuer ausgenommen. Von 51 begünstigten Unternehmen gehören allein vier schon vom Namen her klar erkennbar zum Energiekonzern Vattenfall.

In seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Landtagsabgeordneten Raimund Tomczak (FDP) sagte Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE), die Bezeichnung »stromintensives Unternehmen« sei nicht je nach Bundesland individuell definierbar. Die Ausnahmeregelung solle verhindern, dass Unternehmen, die viel Strom verbrauchen, »in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt« werden. Anfang Januar sei der Kreis der Begünstigten »noch einmal ausgeweitet« worden, erläuterte Christoffers. Eine generelle Befreiung gebe es nicht, sie erfolge immer auf Antrag.

Die Ausnahmen erlaubt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Insofern konnte Christoffers dessen Angaben auch nur nacherzählen. Er wies darauf hin, dass energieintensive Unternehmen eine »unverzichtbare Grundlage für die Wertschöpfungsketten darstellen, welche für die Umstellung der Energiewirtschaft benötigt werden«.

Handwerkspräsident Otto Kentzler protestierte kürzlich in Berlin dagegen, dass Firmen und Verbraucher gezwungen sind, »gegen kontinuierliche, politisch verursachte Preissteigerungen« anzusparen. »Und das wollen wir schon gar nicht, wenn wir auch noch die Befreiungen anderer mittragen müssen.« Energiekosten belasten viele kleine und mittlere Handwerksbetriebe schwer, berichtete Kentzler. »Ich denke zum Beispiel an Textilreiniger und Bäckereien, die besonders viel Energie verbrauchen und die Kosten kaum auf die Preise überwälzen können.«

Mit einem Anteil von 20 oder 25 Prozent am Gesamtaufkommen sei die erneuerbare Energie »aus der Nische heraus«, erklärte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) bei der gleichen Gelegenheit in Berlin. Bislang habe der Bundestag die Preise bis auf den Cent festgelegt. Es gelte, solche Elemente der Planwirtschaft zurückfahren, sie seien jetzt »nicht mehr gerechtfertigt«. Um den stetig steigenden Energiekosten etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen, soll ein neues »Gesetz für eine Strompreisbremse« am 1. August dieses Jahres in Kraft treten, verkündete der Minister.

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) räumte ein, Handwerk und Mittelstand seien vor allem in den energieintensiven Bereichen von Energiepreissteigerung betroffen, welche in diesem Ausmaß niemand erwartet habe. Er legte dar, dass die Preissteigerung bei Betrieben mit EEG-Ausnahmezertifikat drei Prozent betrage, bei privaten Haushalten 20 Prozent und bei Betrieben ohne Ausnahmebegünstigung, das heißt bei kleinen und mittleren Unternehmen sogar 25 Prozent. Und es könne niemand voraussagen, ob diese Steigerung nicht weitergehe. Die Bundesregierung könne nicht versprechen, dass die Strompreise sinken.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.