Die sind nicht von der Caritas
Alte Bekannte wollen in Kreuzberg Wohnungen trotz Milieuschutzgebiet luxussanieren
Schaut man vom Balkon des großen Wohnhauses Görlitzer Straße 46, schweift der freie Blick über die riesige Fläche des Görlitzer Parks. Doch nun ist Schluss mit der Idylle für die 24 Mietparteien. Das Haus in Kreuzberg gehört einer Erbengemeinschaft, und deren Mehrheitseigentümerin drängt auf Verkauf. Der vermeintliche Grund: Es müsse dringend saniert werden, und die Erbengemeinschaft habe keine Mittel. Einen Käufer gäbe es bereits.
Aufgehalten wird die Transaktion lediglich durch eine Gruppe von Mietern, die Mitte vergangenen Jahres eine GbR gründeten, um einen Anteil von einem Mitglied der Erbengemeinschaft zu erwerben. Nun wird gegen sie geklagt auf Herausgabe des Erbanteils, damit der Deal vollzogen werden kann. Dieser Prozess kann dauern, aber die Immobilienbranche ist bereits im Haus. »Typen mit Porsche rennen jetzt geschäftig hier rum,« beklagt sich eine Mieterin aus dem Haus. »Die führen sich hier auf, als gehörte ihnen das Haus bereits.«
Die bösen Vorahnungen haben ihre Berechtigung, denn die eifrigen Herren aus der Branche sind bekannte Profis, die nicht zimperlich sind. Im November letzten Jahres brach die Firma N. in das Leben der Mieter ein. Als neue Verwalterin kündigte nach »nd«-Informationen sie Vermessungsarbeiten an, da das Haus saniert werde. Die Firma ist im Bezirk bekannt. Sie kaufte Mitte 2012 ein Haus an der Boxhagener Straße 26, kündigte den Mietern und baut derzeit das Haus zu Kleinwohnungen um, die ab 18 Euro netto kalt pro Quadratmeter auf den Markt sollen.
In Berlin residiert die N. an der Friedrichstraße 183, Niederlassungsleiter ist F.. W. fungiert als Assistant Manager. F. und W. sind ein eingespieltes Team. Über Jahre unterhielten sie ein verwickeltes Netz von Firmen mit ständigen Neugründungen und Insolvenzen, in das weitere Partner oder Strohmänner involviert waren. 2008 wurden sie wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu Haftstrafen verurteilt. Die U. GmbH von W. kaufte insolvenzreife Unternehmen auf, plünderte sie aus und prellte viele Leute, was ihr den Titel »Firmenbestatter« einbrachte. F. war zu der Zeit bereits vorbestraft.
Der bekannteste Coup war der Kauf des einstigen DDR-Rundfunkgeländes an der Nalepastraße, das sich im Besitz der neuen Länder und Berlins befand. Ein Strohmann erstand Ende 2005 die Immobilie mit dem denkmalgeschützten Gebäude für läppische 350 000 Euro - ein ganz offensichtlicher Fall von Betrug, denn das Gelände wurde auf über 20 Millionen Euro geschätzt. Kurz nach dem Kauf wurde das Kernstück der Gebäude für Peanuts an die Nalepa Projekt GmbH von W. geschoben und dann für knapp vier Millionen weiter verkauft. Die Verwaltung des Komplexes ging an die Go East Invest GmbH, die in den Händen von F. und W. lag. Politik und Justiz beschäftigten sich lange mit diesem Ganovenstück, der Strohmann erhielt eine Haftstrafe von 33 Monaten.
Nun ist das Dreamteam wieder am Ball, an der Nalepastraße und bei der Entmietung und Luxussanierung. Die Berliner Homepage von N. offeriert ein neues »Bauvorhaben Wilhelmstrand«. Direkt an der Spree sollen 136 Stadthäuser entstehen und eine Spree Marina. Das dürfte sich hinziehen, denn der Bebauungsplan sieht keine Bewilligung für das Projekt vor. Die Verheißung erinnert an ein Phantom aus dem Jahr 2006. Damals ging W. mit seiner Aktiengesellschaft Meteor an die Börse und bewarb sie über ein vermeintlich geplantes Megaprojekt mit einem Investitionsvolumen über 80 Millionen Euro. Auf dem Gelände an der Nalepastraße sollte ein Einkaufs- und Freizeitpark entstehen, für das der Bezirk aber niemals eine Genehmigung erteilte. Heute zieht es die Herren an die Nalepastraße zurück - als Angestellte der Firma N. die auf ihrer Homepage 44 000 Quadratmeter des Spreegeländes zur Bebauung anpreist.
Die Görlitzer Straße liegt im Milieuschutzgebiet. Die »soziale Erhaltungsverordnung« hat den Zweck, die Bewohnerstruktur im Viertel zu wahren, und soll Luxussanierungen unterbinden. Für die Mehrheitseigentümerin Monika B. ist klar, dass alle Mieter bei einer Grundsanierung raus müssten. Das konkrete Procedere liegt dann in den Händen der Verwaltungsgesellschaft. Rechtliche Vorgaben haben F. und W. bisher nicht geschreckt. Und dass der Käufer nur saniert, um wieder mit Gewinn zu verkaufen? Das kann sein, meint Monika B. gegenüber »nd«. »Die sind nicht von der Caritas!«
Der Käufer in spe ist die N. Bereits Ende 2012 wurde die »Görlitzer Straße 46 Grundbesitz GmbH« ins Handelsregister unter ihrer Berliner Adresse eingetragen. Zweck der GmbH sei der Kauf des Grundstücks, die Sanierung »sowie die Umwandlung in Wohnungseigentum« heißt es im Handelsregister. Der Geschäftsführer, R., war Geschäftsführer der Brillant 1464 GmbH, die ihren Sitz ebenfalls an der Friedrichstraße 183 hatte. Sie wurde Mitte 2012 nach ihrem Grundstück in Friedrichshain umbenannt in »Auerstraße 47 GmbH«. Der Sitz wurde nach Leipzig verlegt an die Adresse der N. Deren Chefs, A. und B., waren ebenfalls Geschäftsführer der Brillant 1464 GmbH und sind es heute von der Auerstraße 47 GmbH.
Aufgrund einer laufenden juristischen Auseinandersetzung sind Teile des Beitrags vorübergehend anonymisiert.
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