Feindbild Vegetarier

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Witze über Vegetarier kennt jeder. Auch der ins Straucheln geratene Wurstfabrikant und Bayern-Präsident Uli Hoeneß hat so seine Probleme mit den Ernährungsgewohnheiten der Nichtfleischesser. Häufig geht es nur um die Angst vor der eigenen Moral.

Tolle Tage für alle Vegetarier. Kollektives Gelächter herrscht innerhalb der Salat- und Körnerfraktion derzeit über einen Wurstfabrikanten, der sich nebenbei als FC Bayern-Präsident seine Salamistullen verdient. Ob bei Uli Hoeneß alles mit rechten Dingen zuging, wird in den kommenden Wochen die Staatsanwaltschaft prüfen.

Ganz laut rufe ich dem Uli jetzt „Ätsch“ und „Haha“ hinterher!

Dass ich als Vegetarier überhaupt zu solch positiven Gefühlsausbrüchen fähig bin, leugnete der Omnivor Hoeneß bei einer Veranstaltung im Jahr 2012. Laut Nordwest-Zeitung sagte er vor Hunderten Gästen in der Cloppenburger Stadthalle: „Ich habe noch keinen Vegetarier gesehen, der gelacht hat. Die sind schlecht gelaunt, weil sie sich jeden Tag damit beschäftigen, was sie nicht essen sollen. Ich dagegen habe Spaß, weil ich dauernd daran denke, was ich alles essen kann.“

Man könnte den Spieß jetzt einfach umdrehen und behaupten, dem Uli ist einfach egal, woher sein Essen kommt. Doch damit würde ich es den Allesessern vom Schlage eines Hoeneß nur zu leicht machen, sich in ihrer Sichtweise über fleischlos Ernährende bestätigt zu fühlen. Immerhin dürfte jeder Vegetarier schon einmal einen schlechten Witz über sein klares Nein zum Verzehr von Fleisch gehört haben.

Interessante Verhaltensmuster

Überhaupt lässt sich bei Fleischessern ein interessantes Verhaltensmuster erkennen, sobald sie mit Vegetariern an einem Tisch sitzen. Längst nicht alle Vegetarier wollen bei sich jeder bietenden Gelegenheit eine Debatte über das Pro & Kontra von toten Tier auf dem Teller führen, doch die Diskussion wird einem durch den Rechtfertigungsdruck vieler Fleischliebhaber regelrecht aufgedrängt.

Fleischesser fühlen sich oft schon durch die alleinige Anwesenheit von Vegetariern in die unmoralische Ecke gedrängt. Wer auf Fleisch verzichtet, tut dies in aller Regel aus Tierschutz- und/oder Umweltgründen. Beide Themen sind allgemein gesellschaftlich akzeptiert und gewollt, erfüllen somit einen hohen moralischen Anspruch, den die gesellschaftliche Minderheit der Vegetarier auf ihre Weise einzulösen versucht. Das weiß natürlich in aller Regel auch die Mehrheit der Fleischesser. Sie selbst geraten nun in die Zwickmühle, entweder ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen oder eben zu rechtfertigen, da sie selbst nicht als weniger moralisch handelnde Personen dastehen wollen.

Vegetarier werden in diesem Moment deshalb zum verbitterten Feind erklärt, da sie durch ihre bloße Gegenwart am eigenen positiven Selbstbild des Omnivoren zu kratzen beginnen. Was folgt, sind herabwürdigende Aussagen wie die im Fall von Uli Hoeneß. Denn was gibt es nicht leichteres als seinen Gegner der Lächerlichkeit preiszugeben? Apropos lächerlich: Hoeneß Verhalten in Steuerfragen ist mehr als ein schlechter Witz. Darüber sollten sich selbst Vegetarier und Omnivoren einig sein.

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