Null ist gleich Null - und nicht 89

Gericht verhandelt über Schallschutz am BER

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Betreiber des neuen Hauptstadtflughafens BER müssen beim Schallschutz möglicherweise noch einmal kräftig nachbessern. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg tendierte gestern dazu, bei seiner strikten Lesart der Vorgaben zu bleiben.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) neigt dazu, das Null gleich Null ist - und nicht etwa 0,49 oder 6 oder 16 oder sogar 89. Gestern beschäftigte sich das Gericht in mündlicher Verhandlung mit gleich mit vier Klagen zum neuen Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld. In den Verfahren ging es neun verschiedenen Privatpersonen sowie den Gemeinden Eichwalde und Blankenfelde-Mahlow darum, für ihre Häusern einen besseren Schallschutz zu bekommen. Eine Entscheidung sollte erst am Abend oder heute fallen.

Der Vorsitzende Richter Roger Fieting ließ gleich zu Beginn der Verhandlung durchblicken: Für ihn und die zwei Berufsrichter an seiner Seite spreche viel dafür, den Wortlaut des Planfeststellungsbeschlusses rigide auszulegen. Demnach müsste die Flughafengesellschaft den Kläger so viel Geld für Lüftungsanlagen und Schallschutzfenster bezahlen, dass ein Lärmpegel von 55 Dezibel tagsüber innerhalb der Gebäude niemals überschritten wird.

Das wollen die Kläger auch. Setzen sie sich gegen die Flughafengesellschaft durch, muss diese noch einmal 286 Millionen Euro mehr für den Schallschutz der Anrainer einplanen. Verklagt haben die Privatleute und die Gemeinden jedoch nicht die Gesellschaft selbst, sondern das brandenburgische Verkehrsministerium. Dieses soll den Flughafen zwingen, Versprechungen aus dem Planfeststellungsbeschluss einzuhalten.

Der Streit drehte sich gestern darum, was der Planbeschluss wirklich vorschreibt. Darf es in den sechs Monaten des Jahres mit den meisten Starts und Landungen tatsächlich niemals lauter als 55 Dezibel werden? Sind nicht 0,49 nach mathematisch korrekter Abrundung auch Null? Wenn es so wäre, dann wäre es auch zulässig, dass es im Schnitt alle 47,5 Stunden für 30 bis 40 Sekunden lauter wird auf 55 Dezibel. Auf sechs Monate hochgerechnet dürfte es 89 Mal zu einer Überschreitung kommen. Übersteigt der Lärmpegel den Wert 55 Dezibel, so ist es nicht mehr möglich, ein vernünftiges Gespräch normal zu führen.

Aber das müssen die Anwohnern in seltenen Fällen einfach hinnehmen, meinte Volker Gronefeld als Anwalt der Flughafengesellschaft. Dies gehe aus der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses hervor. Außerdem sei ein Schallschutz, durch den es im Haus niemals zu laut wird, technisch auch gar nicht möglich. Verglichen mit anderen deutschen Airports seien 0,49 Überschreitungen pro Tag sehr wenig, versicherte Gronefeld. Am Flugplatz Rammstein beispielsweise seien 16 Überschreitungen erlaubt. Für Schönefeld wollte die Flughafengesellschaft ursprünglich sechs oder mehr Überschreitungen in Kauf nehmen. Doch da wurde sie nach einem Gerichtsurteil vom Verkehrsministerium schon zurechtgestutzt.

Doch mit 0,49 ist das Ressort von Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) einverstanden. »Null ist nicht immer gleich Null«, beharrte der Anwalt des Ministeriums, Klaus-Peter Dolde. Das sah die Kanzlei Baumann, die fünf der neun Privatpersonen und die beiden Gemeinden vertrat, allerdings ganz anders.

Bis zum vergangenen Herbst hatten sich die Kosten für den neuen Hauptstadtflughafen im Laufe der Bauzeit auf 4,3 Milliarden Euro bereits mehr als verdoppelt.

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